Aber nur dieses eine Mal

Tobias Premper war bereits vor fünf Jahren bei der ersten Lesung von 54stories in Berlin dabei. Im März diesen Jahres erschien der Nachfolgeband seiner Notizen „Das ist eigentlich alles“. Aus „Aber nur dieses eine Mal“ präsentieren wir mit freundlicher Genehmigung des Steidl Verlages einen Auszug.

18. Notizbuch

 

Er würde nicht in der Lotterie gewinnen und auch keine wohlhabenden Leute kennen lernen, die seine Kunst sammeln und ihn damit über die Zeit retten. Er würde kein Glück mit den Frauen haben und keine Karriere machen. Aber das sollte ihm erst später aufgehen, viel später, eigentlich erst dann, als es schon zu spät war.

 

Gestern, am 10.6.2010, ist Sigmar Polke gestorben. Ich male alle oberen rechten Ecken schwarz.

 

Traum: Mein Zahnarzt hat einen Playmobil-Tick und füllt mir mit allen möglichen Plastikteilen die Zähne. Er sagt: »Das hält besser, das hält besser.« Jetzt zieht er mir den angeschlagenen Schneidezahn und setzt dafür ein Playmobil-Pferdebein ein, das er sauber abschleift und weiß lackiert.

19. Notizbuch

 

Er sagte seinem Verleger, er würde seine Texte nicht vor Publikum in irgendeinem Literatur- oder Theaterhaus vortragen; in einer Höhle, ja, oder im Wald vielleicht.

 

20. Notizbuch

 

Ich beginne ein weiteres missglücktes Notizbuch.

 

Meine Freiheit nimmt zu mit den Worten, die ich schreibe, aber auch das Fremde und die Furcht.

 

Jetzt ist es dunkel geworden und still. Die Welt beginnt zu mir zu sprechen, und ich lege das Notizbuch beiseite und lausche ihr.

 

21. Notizbuch

 

Ein Mann seilte sich von seinem Privatzeppelin ab und trat auf ein Krokodil, das ihn aus traurigen Augen ansah. Dann verschwand der Mann im Dschungel.

 

22. Notizbuch

 

Vor mir ging ein Mann mit zwei Tüten in den Händen. Dann öffnete er eine Luke im Boden, ließ erst beide Tüten und dann sich selbst in das Loch fallen. Ich schloss die Luke wieder und blieb noch etwas darauf stehen, um sicherzugehen, dass er nicht mehr hinauskam.

23. Notizbuch

 

In der ganzen Gegend nur ein einziges Schild: Haltestelle Bahnhof. Als der Bus kommt (kein Abfahrtsplan und der Bus auch ohne Fahrtziel an der Stirnseite), frage ich den Fahrer, ob er auch zur Fähre nach Hiddensee fahre. »Ich fahre überall hin. Endstation, Ankunft in einer Stunde.«

Im Bus ruft ein Junge, der ganz hinten sitzt, zu einem Mädchen, das ganz vorne sitzt: »Hannaaaaaaah, Hannaaaaaaaaaaaah!« Und als sich Hannah umdreht und lächelt, ruft der Junge: »Komm bloß nicht her, bleib, wo du bist!«

 

24. Notizbuch

 

Habe mich gefragt, wo eigentlich meine Freunde hin sind, und als ich dann in einem Hauseingang stand, habe ich auf dem Klingelschild den Namen »Daumenlang« gelesen. Ja, dachte ich, das könnte ein neuer Freund werden.

 

25. Notizbuch

 

Der Traum des Bahnrestaurant-Mitarbeiters, den er kurz vor der Ankunft in Berlin einem Kollegen offenbart: det Beste is, eener säuft für zweehundert und zahlt dreihundert.

 

Ein Buch (auch dieses Notizbuch) in dem Moment, in dem man das Interesse daran verliert, einfach fallen lassen.

 

„Aber nur dieses eine Mal“ von Tobias Premper ist im März 2020 bei Steidl, Göttingen erschienen und kostet EUR 18,-

Beitragbild von noslifactory

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