Geldgeschichten: Willkommen in der Ära der Vibeonomics

Eine Wirtschaftskolumne von Daniel Stähr

Drei Monate ist es her, seit Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, und noch immer werden die Gründe für diesen Sieg und Kamala Harris’ Niederlage kontrovers diskutiert. Die Erklärungsversuche sind zahlreich: War es Joe Bidens Hin und Her bezüglich seiner Kandidatur, oder die fehlenden Vorwahlen der Demokraten und der Faschismusvorwurf gegen Trump? War die Entscheidung für Tim Walz statt Josh Shapiro als Running Mate die falsche? War das Wahlprogramm von Harris/Walz zu links oder zu rechts? Lag der Fokus der Demokraten zu sehr auf Identitätspolitik. Und welche Rolle spielten der Nahostkonflikt, Sexismus und Rassismus. Oder war am Ende sogar Bidens Weigerung, Donald Trump zu begnadigen Schuld am Sieg des Republikaners? Und selbst die These, Harris hätte gewonnen, wenn sie im Podcast von Joe Rogan aufgetreten wäre, anstatt mit Beyoncé auf der Bühne zu stehen, hat es in ein Buch geschafft.

So absurd und widersprüchlich einige der Behauptungen auch sind, zeigen die abstrusen Auswüchse, die die Debatte um Trumps-Comeback angenommen hat, eines deutlich: Keine Theorie ist zu abwegig, keine These zu steil. Wir leben in einer Realität, in der Elon Musk, der reichste Mann der Welt, mitten im Wahlkampf sein soziales Netzwerk in den Dienst der Republikaner stellt, und die Republikanische Partei ohne negative Auswirkungen für sich darüber schwadronieren kann, Immigrant*innen würden Hunde und Katze essen. Dieser Kulturkampf, der sich seit Jahren immer weiter in den politischen Vordergrund drängt, wirkt sich inzwischen auch auf die ökonomische Realität aus.

Bidenomics – Ein leerer Sieg

Mit ein Grund, warum die Demokraten 2024 zuversichtlich auf die kommenden Wahlen blickten, war die eigene ökonomische Performance: Bei allen Krisen, die sich während der Amtszeit von Joe Biden ereignet haben, hatte es die Regierung geschafft, die US-amerikanische Wirtschaft in erstaunlich kurzer Zeit zu reparieren. Bidenomics ist das Zauberwort. Die Wirtschaftspolitik der Biden-Regierung zeichnet sich durch ihre enormen Staatsausgaben aus und ist damit das Gegenstück zur deutschen Austeritätspolitik. Sei es der American Rescue Plan, der die Folgen der Pandemie teils durch direkte Geldzahlungen an bedürftige Haushalte abmildern sollte, der Infrastructure Investment and Jobs Act oder der Inflation Reduction Act (der trotz seines Namens nach in erster Linie eine Förderung grüner Technologien ist) – jede dieser Maßnahmen lässt sich als großes Investitionsprogramm interpretieren.

Und sie zeigten Erfolg. Donald Trump übernahm das Weiße Haus im Januar in einer außerordentlich komfortablen Lage. Die Arbeitslosenquote sank 2024 auf 3,5 %; so niedrig wie seit 1969 nicht mehr. Gleichzeitig ist die Inflation schneller und stärker zurückgegangen als in den meisten anderen nordamerikanischen und europäischen Ländern. Zudem erbt Trump ein deutlich geringeres Budgetdefizit als Biden vier Jahre zuvor von ihm. Gemessen an allen makroökonomischen Größen, die gemeinhin zur Bewertung des Zustands einer Volkswirtschaft herangezogen werden, war Bidenomics ein Erfolg.

Natürlich gibt es trotzdem berechtigte Kritik an Bidens Wirtschaftspolitik. Einer seiner lautesten Kritiker*innen ist der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze. Er hebt hervor, dass sich die Wirtschaftspolitik der letzten vier Jahre auch als eine Fortsetzung von Trumps Großmachtpolitik interpretieren lässt. So blieben viele Zölle der ersten Trump-Amtszeit, insbesondere gegenüber China, intakt oder wurden sogar ausgebaut. Gleichzeitig wurden Unmengen an Kapital in den Verteidigungsetat investiert. In eine ähnliche Kerbe schlägt Jason Furman, einer der wichtigsten ökonomischen Berater der Obama-Regierung. Seine Kritik richtet sich vor allem an den mangelnden Ausbau des sozialen Sicherungsnetzes. Viele der Ausgabenprogramme waren kosmetische Korrekturen, die an den strukturellen Problemen, die die Ungleichheitskrise in den USA verursachen, wenig ändern und viele der Maßnahmen, die das Potenzial besaßen die Armut langfristig zu reduzieren, liefen mit dem Ende der Coronahilfen ebenfalls aus. Aber selbst Furman kommt zu dem Schluss: „In einiger Hinsicht waren die makroökonomischen Ergebnisse beeindruckend.“ Und Tooze hält fest: „Wenn man das Ausmaß des Corona-Schocks berücksichtigt, könnte die makroökonomische Bilanz der Biden-Regierung kaum besser sein.“

Wie lässt sich dann erklären, dass die US-amerikanische Bevölkerung diesen ökonomischen Fakten vehement widerspricht und die Demokratische Partei bei der Wahl so massiv abstrafte? Bis zur Pandemie ließ sich die Wahrnehmung der Bevölkerung extrem gut mit den tatsächlichen makroökonomischen Daten vorhersagen. Die blaue Linie in der Grafik zeigt, wie Menschen in Umfragen die aktuelle ökonomische Situation in den USA einschätzen. In Gelb ist der Wert dargestellt, den man auf Basis von Daten wie der Inflation, der Arbeitslosigkeit oder dem Wirtschaftswachstum erwarten würde – also eine Prognose davon, wie die Menschen in den Umfragen antworten (zur genauen Methode gibt es hier mehr Informationen).

Quelle: Eigene Darstellung, Daten Brookings Institution.

Das Argument, das vor allem aus progressiven Kreisen hervorgebracht wird, die Verbesserung makroökonomischer Kennziffern bedeute nicht zwangsläufig eine Verbesserung der Lebensrealität (gerade von ärmeren Schichten einer Gesellschaft), ist natürlich korrekt. Die Fokussierung auf Wirtschaftswachstum in Form von BIP-Wachstum ist inzwischen ein unzureichendes Ziel, wenn man die Gerechtigkeit in einer Gesellschaft verbessern will. Dennoch erklärt es nicht, warum ausgerechnet jetzt die wirtschaftliche Situation derart von ihrer Wahrnehmung entkoppelt ist und das nicht schon in früheren Krisen geschah.

Vibeonomics statt Bidenomics

Es gibt viele Versuche, diese paradoxe Entwicklung zu erklären. Eine Theorie bezieht sich auf die langanhaltenden, negativen Auswirkungen der Inflation. Diese These ist sicherlich in Teilen richtig. Menschen hassen Inflationen und auch wenn Regierungen, wie im Fall der hohen Inflationsraten in den letzten Jahren, nicht unmittelbar durch ihre Politik dafür verantwortlich sind, werden sie dafür abgestraft. 2024 haben zum ersten Mal in der Geschichte der modernen Demokratie alle Regierungsparteien aus den High Income Countries bei den Wahlen in ihren jeweiligen Ländern verloren. Die deutsche Ampel-Regierung wird diesen Trend aller Voraussicht nach fortsetzen. Der Schock, den die stark erhöhten Preise ausgelöst haben, entfaltet sich stärker, je länger er anhält.

Bei aller Macht, den dieses Inflations-Argument hat, kann es aber bei weitem nicht die gesamte Wahrnehmungsdiskrepanz erklären. Zum einen begann die Entkopplung von Wahrnehmung und wirtschaftlicher Realität bereits vor der Inflationskrise, zum anderen müssten wir langsam aber sicher eine Wiederannäherung sehen, wenn ausschließlich Preiserhöhungen der Grund für die Verzerrung wären. Viel eher ist die gezeigte Grafik ein Indiz dafür, dass das postfaktische Zeitalter nun auch die wirtschaftliche Sphäre unseres Zusammenlebens erreicht hat: Willkommen im Zeitalter der Vibeonomics! In Zeiten der Vibeonomics hat sich die Bewertung der wirtschaftlichen Situation von Fakten entkoppelt. Stattdessen treiben gesamtgesellschaftliche Vibes den wirtschaftlichen Diskurs. Diese Situation wirkt sich auch auf die Wirtschaftspolitik aus, die sich in Folge einem Kulturkampf unterwirft, anstatt sich an ökonomischen Anforderungen zu orientieren.

Wie US-Amerikaner*innen heutzutage die Wirtschaft wahrnehmen, hängt fast vollständig davon ab, welche Partei regiert. Haben Wähler*innen der Demokraten im Dezember noch erwartet, dass die Inflation bei unter 3 % verbleibt, schätzten Wähler*innen der Republikaner die künftige Inflation auf circa 3,5 %. Nach dem Amtsantritt Trumps sprang die Erwartungen von Demokrat*innen über die künftige Inflation auf fast 4 % und die der Republikaner*innen fiel auf deutlich unter 2 %. Gleiches gilt für die Bewertung der ökonomischen Situation. Republikaner*innen bewerteten den Zustand der US-Wirtschaft während der ersten Trump-Amtszeit extrem positiv, mit dem Monat von Bidens Amtsübernahme kippte die Beurteilung in das genaue Gegenteil. Demokrat*innen verhielten sich, wenn auch weniger stark ausgeprägt, spiegelbildlich. Dass die eigene Parteizugehörigkeit und die Partei, die im Weißen Haus sitzt, quasi die einzigen Merkmale sind, nach denen die aktuelle Wirtschaftslage beurteilt wird, ist neu. Es gab zwar immer einen gewissen Party-Bias, aber früher waren Faktoren wie Alter, Bildungsgrad oder das Einkommen deutlich ausschlaggebender.

Ein Blick in Deutschlands Zukunft?

Das hat mit dem extrem polarisierten medialen Ökosystem in den USA zu tun, in dem es heute de facto keinen gemeinsamen Nenner mehr gibt, auf den sich die Mitglieder der beiden Parteien einigen können – was zu großen Teilen an der Rechtsradikalisierung der Republikanischen Partei liegt. Mit dem aktuellen Angriff der Trump-Regierung auf die US-Verfassung wurde in dieser Radikalisierung die nächste Eskalationsstufe gezündet. Die Unfähigkeit etablierter Medien damit umzugehen, trägt zur Verschärfung der Situation bei. Insbesondere das Sanewashing von Donald Trump, bei dem jede noch so abstruse und bizarre Behauptung im Namen der Unparteilichkeit ernsthaft diskutiert und dadurch normalisiert wird, ist ein medienethisches Problem. Dieses Phänomen betrifft aber nicht nur US-Medien, sondern auch deutsche. So bezeichnet die Tagesschau Trumps verfassungsfeindlichen Angriff auf demokratische Institutionen kürzlich als „Umbau des Staatsapparats“ und suggeriert damit ein legitimes demokratisches Vorgehen.

Die letzten Monate haben gezeigt, dass der Kulturkampf in den USA endgültig auch die Diskussion um ökonomische Fragestellung überlagert. Jeder Vorschlag aus den Reihen der Demokraten, der auf direkte Preiskontrollen abzielte, wurde als Vorbote eines „kommunistischen Regimes“ dämonisiert, wohingegen die Zollerhöhungen, die Trump vehement vorantreibt, als patriotische Notwendigkeit gefeiert werden. Der aktuelle Wahlkampf in Deutschland wirft die Frage auf, wie dicht wir auch hierzulande an einer Situation sind, in der eine ruhige Debatte über notwendige ökonomische Reformen nicht mehr möglich ist.

Quelle: Eigene Darstellung, Daten Forschungsgruppe Wahlen, Anteil derjenigen, die auf die Frage „Wie bewerten Sie die wirtschaftliche Situation Deutschlands/Ihre eigene wirtschaftliche Situation“ mit gut oder schlecht geantwortet haben (Teils, teils wurde als Antwort ausgelassen).

Seit einigen Jahren sehen wir in ökonomischen Fragestellungen in Deutschland eine ähnliche Tendenz wie in den USA. In Deutschland sank der Anteil derjenigen, die ihre wirtschaftliche Situation als “gut” bezeichnen, von 70 auf 55 Prozent (dunkelgrüne Linie) wobei der Anteil derjenigen, die ihre wirtschaftliche Situation als “schlecht” bezeichnen stabil unter 10 Prozent blieb. Parallel dazu wuchs die Prozentzahl der Menschen, die die wirtschaftliche Situation Deutschlands als “schlecht” bewerten überproportional von 10 auf 40 Prozent (weinrote Linie). 

Diese Entwicklung lässt sich in Krisenzeiten zwar oft beobachten, allerdings ist der lange Zeitraum, in dem sich die Verschlechterung der Wahrnehmung fortsetzt, einmalig seit der Wiedervereinigung. Dieser Trend lässt sich zum einen auf ganz reale Sorgen zurückführen. Anders als die Biden-Regierung in den USA hat sich die Ampel-Koalition, wirtschaftlich angeführt von der FDP, in eine austeritätspolitische Sackgasse manövriert. In Zeiten, in denen massive Investition nicht nur für die klimagerechte Transformation notwendig wären, sondern auch für die Sanierung der (digitalen) Infrastruktur und Bildungs- sowie Forschungsvorhaben gebraucht würden, wiederholen Lindner und Co. gebetsmühlenartig längste widerlegte Thesen über die Gefahren von Staatsverschuldung. Das wirkt insbesondere mit Blick auf die extrem niedrige deutsche Schuldenquote im internationalen Vergleich bizarr (die Quote von BIP zu Staatsverschuldung in Deutschland liegt bei circa 60 %, in den USA beträgt sie über 120 %). Auf Basis dieser politischen Versäumnisse ist es durchaus nachvollziehbar, dass Menschen nicht gerade rosig in die deutsche Zukunft blicken.

Ein Heizungshammer kommt selten allein

Aber auch in Deutschland deutet sich eine Zukunft an, in der ein faktenbefreiter Kulturkampf auch die Diskussionen über ökonomische Fragestellungen überlagern wird. Samira El Ouassil und Friedemann Karig haben in einer Folge ihres Podcasts Piratensender Powerplay exemplarisch dafür die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz nachgezeichnet – oder wie es die Bild nannte: „Habecks Heizungshammer“. Darin wird deutlich, wie ein eigentlich relativ harmloses Gesetz, das in einer früheren Form bereits von Union und SPD während der letzten Merkel-Amtszeit beschlossen wurde, zum skandalösen Politikum wurde.

Nicht nur Springer-Medien und die Gas-Lobby machten massiv Stimmung gegen das Gesetz, sondern auch Parteien von der AfD über die Freien Wähler sowie die Rechtspopulist*innen in der Union und der FDP selbst. An dieser Kampagne, die von Lügen, Halbwahrheiten und gezielten Desinformationen geprägt war, beteiligten sich auch reihenweise etablierte Medien und verhalfen damit dem Thema zu einer absurden Aufmerksamkeit. Am Ende der Debatte blieben ein ausgehöhltes Klimaschutzgesetz und eine beschädigte Ampel-Koalition zurück. Es wird mit Sicherheit nicht das letzte Mal sein, dass ein sinnvolles und recht technisches Gesetz den destruktiven Kräften des Kulturkampfes zum Opfer gefallen ist. Schwer vorstellbar, wie heute eine Diskussion um den Atomausstieg aussehen würde, den Angela Merkels Regierung 2011 in kürzester Zeit nach der Katastrophe von Fukushima durchgezogen hat.

Woher kommen diese Vibes

Es gibt viele Gründe, wieso Vibes (also gefühlte Wahrheiten) die Bewertung der ökonomischen Realität immer stärker dominieren. Zum einen verarbeiten Menschen wirtschaftliche Fakten deutlich besser in der Form von Erzählungen. Werden Informationen als Daten präsentiert, vergessen Menschen innerhalb eines Tages im Durchschnitt 75 Prozent der Inhalte – in Form von Erzählungen sind es nur ein gutes Drittel. Bedenkt man weiterhin, dass polarisierende Erzählungen besser im Gedächtnis hängen bleiben als sachorientierte, erkennt man eine zusätzliche Gefahr, die sich durch den Aufstieg von Populist*innen ergibt. Der Desinformationsfilter, den ein echter Kulturkampf über jede Debatte legt, verdrängt auch die faktenbasierten Erzählungen über ökonomische Zusammenhänge.

Eine andere Rolle bei der Transportation von Vibes spielen Medien . In den letzten 200 Jahren ist die wirtschaftliche Berichterstattung immer negativer geworden – ein Trend, der sich im neuen Jahrtausend intensiviert hat. Die gleiche ökonomische Situation würde heute deutlich negativer dargestellt werden als noch in den 1970ern. Eine Polarisierung des Mediensystems, wie wir sie in den USA erleben und an der der Springer-Konzern auch in Deutschland arbeitet, wird diesen Effekt noch verstärken.

Außerdem haben viele Menschen Schwierigkeiten, sich ökonomisch zu verorten. Den meisten fällt es schwer, die Einkommens- oder Vermögensverteilung ihres Heimatlandes und ihre eigene Position darin einzuschätzen. Auch das Ausmaß von Migration, Handelsvolumen oder Inflation werden häufig falsch beurteilt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es sich hierbei um hochkomplexe und gleichzeitig äußerst relevante Bereiche handelt, die häufig Opfer populistischer Vereinnahmung werden. Der zunehmend polarisiert und radikalisiert geführte Kulturkampf vernebelt den Blick auf die ökonomische Wirklichkeit. Es verwundert daher nicht, dass Studien immer wieder zu dem Ergebnis kommen, dass die Wähler*innen der AfD massiv gegen ihre eigenen ökonomischen Interessen stimmen. Genauso wenig verwundert es, dass die Linke, obwohl sie als einzige Partei in ihrem Wahlprogramm deutliche finanzielle Entlastungen für die ärmsten Bevölkerungsgruppen verspricht, um den Wiedereinzug in den Bundestag zittern muss.

Ökonomische Fragen spielen im aktuellen Wahlkampf kaum noch eine Rolle – weder was die Ungleichheitskrise noch Transformationsfragen aufgrund der Klimakatastrophe oder die Reduzierung der deutschen Abhängigkeit vom krisenanfälligen Automobilsektor angeht. Je mehr sich der Kulturkampf in den Vordergrund schiebt, desto stärker wird eine sachdienliche Diskussion um wirtschaftspolitische Fragen verunmöglicht. Daraus folgt unmittelbar, dass es auch immer schwieriger wird, politische Mehrheiten für solche Projekte zu gewinnen, die Zukunftsfragen lösen und zu mehr (ökonomischer) Gerechtigkeit beitragen. Denn ökonomische Gemeinsamkeiten sind das entscheidende Merkmal, das dazu führen könnte, dass die heterogenen ärmeren Schichten einer Gesellschaft Allianzen eingehen und solche Mehrheiten entstehen. Wenn die Wahrnehmung der (eigenen) wirtschaftlichen Lage aber noch stärker als früher durch politische Aspekte verzerrt wird, erscheint das Schmieden solcher Allianzen in weiter Ferne.

Was es jetzt braucht, wäre ein politisches Klima, in dem sich die demokratischen Parteien zielorientierter Sachpolitik verschreiben und nicht mehr jedem Stöckchen der Rechtsextremen hinterher hecheln. Zudem bräuchte es ein mediales Ökosystem, das sich an Fakten orientiert und nicht an einem False Balancing festhält, bei dem jede noch so reißerische Verschwörungstheorie abgedruckt wird, um das gesamte Spektrum politischer Befindlichkeiten abzudecken. Für beides macht der kurzfristige Ausblick wenig Hoffnung und so werden in Zukunft wohl eher Gefühle statt messbarer Fakten über die Wirtschaftspolitik bestimmen. Die Ära der Vibeonomics hat begonnen.


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