Als Student wundert man sich irgendwann, dass die Talente im Fußball mit Millionenverträgen jünger sind als man selbst. Doch Verleger und Verlegerinnen, so hat man zumeist das Glück, sind bis ins hohe Alter älter als man selbst. Der aus München stammende in Wien studierende Albert Eibl hat mit 24 Jahren den DVB Verlag gegründet und verlegt dort (bisher) vergessene österreichische Literatur der Zwischenkriegszeit. Verrückt? Nein! Denn Albert Eibl hat einen Plan und vor allem grandiose Literatur vor sich, davon erzählt er bei 54books.
1. Wo verläuft bei Dir die Grenze zwischen Liebhaberei, überambitioniert und Wahnsinn? Ein heute 27-jähriger Student, der bereits vor 3 Jahren einen Verlag gegründet hat, um vergessene Bücher wiederzuentdecken in einer Zeit des ständigen Abgesangs auf Buch und Buchhandel, voller Genretitel und immer schneller drehendem Markt. Die Frage muss also sein WARUM?
Die Grenze ist vielmehr ein schmaler Grad. Wer heutzutage einen anspruchsvollen Belletristikverlag gründet, muss sowohl ehrgeizig, als auch Liebhaber und ein Wahnsinniger. Trotz der generell schlechten Marktsituation denke ich, dass die Sehnsucht nach echter Kultur in unserer Generation gerade wächst. Nicht nur in der Literatur macht sich das bemerkbar. Darin liegt dann auch die Chance von Programmen, die Qualität über Quantität stellen und es damit schaffen, einen kleinen, aber feinen Zirkel von Lesern nachhaltig an sich zu binden.
2. Stoffe, die einmal funktioniert haben, funktionieren auch nochmal? Ist das eine Rechnung die aufgeht oder ist das viel zu kurz gedacht (sowohl vom Fragenden als auch vielleicht [?] vom Ausführenden)?
Das ist natürlich etwas zu kurz gedacht. Jedes Buch stellt ein eigenes Wagnis dar. Ich kann aufgrund von den bisher von mir verlegten Titeln natürlich irgendwelche Vorhersagen über den potentiellen Erfolg eines Titels treffen – wieviele Exemplare sich dann aber wirklich verkaufen, steht in den Sternen. Dafür spielen zuviele Faktoren mit rein – angefangen von der Wahl des richtigen Covers bis zur persönlichen Leidensgeschichte der Autorin. Verlegen ist da ein bisschen wie Roulette spielen. Wenn man Erfahrung hat und den richtigen Riecher kann das Risiko etwas minimieren. Wohin die Kugel dann aber genau fällt, bleibt dem Leser bzw. dem Markt und dem Literaturbetrieb überlassen.
3. Als Mitglied der Internationalen Stefan Zweig Gesellschaft kenne ich die Vorwürfe, dass sich das Nachkriegsösterreich zu wenig um den berühmten Wiener/“Salzburger“ gekümmert hat. Du hast Dich ebenfalls auf Österreicher, bisher Frauen, spezialisert – warum sollen wir diese Titel auch heute noch lesen?
Die fünf bisher von mir verlegten Romane sind nicht nur für Österreicher oder Wiener interessant, obwohl sie in der Tat hauptsächlich in Wien und Umgebung spielen. Ich verlege nur Romane, von denen ich mir auch vorstellen kann, dass sie ein größeres Publikum interessieren könnten. Als Spiegel ihrer eigenen Zeit geben sie das spezifische Timbre wieder, die charakteristische Schwingung, die zur Zeit ihrer Entstehung in den Straßen und Cafes, auf den Plätzen und in den Vergnügungsstätten der mondänen Großstadt webte und durch die wir uns, wie in einer Zeitmaschine, zurückversetzen können zu jenem einzigartigen Nachmittag um 1900 an dem Arthur Schnitzler seine Melange mit Stefan Zweig und Felix Salten im berühmten Griensteidl trank und sich dabei gehörig seine Zunge verbrühte…Durch so manchen guten Roman kommen wir der Vergangenheit bedeutend näher als durch ein auf Hochglanz poliertes Geschichtsbuch – so meine Meinung.
4. Wie findest man solche Bücher? Ist es wirklich Recherche Arbeit im Antiquariat mit Wühlen durch „vergessene Bücher“ oder ist es Arbeit am Lexikon und durch alte „Bestsellerlisten“?
Es ist weniger das wilde Wühlen im Antiquariat als die gezielte Recherche in Fachlexika, Tagebüchern der Zeit und Feuilletons, durch die man auf den ein oder anderen literarischen Schatz stoßen kann, der es Wert ist, wiederentdeckt zu werden. Zu den Tipps von interessierten Lesern kommen mittlerweile auch regelmäßig Anfragen und Angebote von Literaturwissenschaftlern, die ihrerseits vergessene Werke ausgegraben haben, die sie in meinem Verlag herausgeben wollen. Zusätzlich zu meinen eigenen Recherchen sondiere ich diese Angebote und entscheide mich dann für das Werk, das mir selbst am besten gefällt und von dem ich finde, dass es es Wert ist, ins kulturelle Gedächtnis der Leser zurückgeholt zu werden.
Auf Maria Lazar, die erste Autorin, die ich Ende 2014 verlegt habe, stieß ich durch eine Vorlesung zur österreichischen Zwischenkriegszeit von Herrn Prof. Johann Sonnleitner. Er erklärte sich dann überraschend schnell bereit, die beiden völlig in Vergessenheit geratenen Romane „Die Vergiftung“ und „Die Eingeborenen von Maria Blut“ in meinem noch völlig unbekannten Verlag neu herauszugeben und mit einem Nachwort zu versehen. Auch bei den beiden Werken von Marta Karlweis, die bis jetzt im DVB Verlag erschienen sind („Ein österreichischer Don Juan“ und „Schwindel. Geschichte einer Realität“) firmierte er als Herausgeber.
Auf den bisher medial und verkaufstechnisch erfolgreichsten Roman meines Verlags, den skandalträchtigen Rotlichtroman „Der heilige Skarabäus“ von 1909 machte mich erstmals die Grazer Germanistin Brigitte Spreitzer aufmerksam. Wenn du das im selben Band abgedruckte, rund 60 Seiten umfassende Nachwort zu Leben und Werk der Autorin Else Jerusalem liest, merkst du schnell, wieviel Arbeit es sein kann, eine völlig vergessene Autorin wieder zu rehabilitieren und sie im Kontext ihrer Zeit zu verorten. Dennoch lohnt sich der Aufwand allemal.
5. Du brauchst sicher Kritierien, ganz sicher ist es auch literarische Qualität, aber spielen bei Dir auch Überlegeungen hinsichtlich Zeitbezug, Skandalträchtigkeit oder andere Faktoren eine Rolle?
Als rein ideelles Unternehmen bleibt ein Verlag heutzutage leider schnell auf der Strecke. Ich muss mir also bei jedem wiederentdeckten Roman schon im voraus Gedanken machen, inwieweit ich genügend Aufmerksamkeit für ihn generieren kann, damit er bei seinem Erscheinen in einschlägigen Medien besprochen wird. Das wiederum führt dazu, dass Buchhändler ihn überhaupt in ihre Regale stellen und Leser ihn letztlich kaufen können. Ohne einen gewissen Umsatz und die Unterstützung von Förderungen für einzelne waghalsige Buchprojekte geht es nicht. So gesehen kommt der Wiederentdeckung eine skandalträchtige Autorenbiographie oder eine aufwühlende Hintergrundgeschichte natürlich immer zugute.
6. Wo willst Du hin mit Deinem Programm? Ist es absehbar, dass Du irgendwann sagst, „es gibt keine Bücher aus diesem Bereich mehr, die interessant für mich sind“ oder wirst Du Dein Recherchegebiet einfach öffnen?
In der von mir in den letzten drei Jahren beackerten Nische der österreichischen Zwischenkriegszeit gibt es noch einige Werke, von denen es sich mit Sicherheit lohnen würde, sie wiederzuentdecken. Welche genau, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten (Berufsgeheimnis;)). Ich bin aber durchaus offen, mein Verlagsprogramm in Zukunft auszuweiten und noch ungeahnte und entferntere Gebiete der deutschsprachigen Literatur nach archäologischen Sensationen zu durchkämmen.
Albert C. Eibl, Jg. 1990, studierte Deutsche Philologie, Philosophie und Politikwissenschaft in Zürich und Wien. Nach einer Hospitanz im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gründete er den Verlag Das vergessene Buch (DVB Verlag), dessen Inhaber und Geschäftsführer er ist. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge im Wiener Falter und dem österreichischen Nachrichtenmagazin PROFIL und ist seit 2016 Mitglied des österreichischen PEN Clubs.
Wunderbar! Vielen Dank für das interessante Gespräch – den Verlag werde ich mir auf jeden Fall merken. Es gibt einfach noch ganz vieles, was wir entdecken müssen aufgrund der immer noch vorhandenen Aktualität der Texte. Manchmal möchte man meinen, es wäre nicht viel passiert, gesellschaftspolitisch etc. gesehen. Außerdem finde ich, dass österreichische Verlage auf dem deutschem Buchmarkt noch viel präsenter werden müssen. LG, Bri
Der Verlag ist auf jeden Fall eine tolle Sache und die Bücher lohnen sich wirklich. Sie haben mich positiv überrascht in ihrem Potential, besonders wenn man im Hinterkopf behält, wann sie geschrieben worden. Ich habe drei Bücher aus dem Verlagsprogramm gelesen und kann besonders Maria Lazar empfehlen.
Viele Grüße, Anja