Keine Fragen, sinnierte der Killer. Das ist die ungeschriebene Regel, die Grundlage meines Geschäfts.
Ohne Frage ist Dan Brown mit Illuminati und Sakrileg etwas – nicht nur kommerziell – außergewöhnliches gelungen. Dabei war das Verknüpfen von Verschwörungstheorien – in der Vor-YouTube-und-Fake-News-Zeit meist nur bekannt als harmlose als Mondlandung-in-der-Wüste und Elvis-lebt-Szenarios – und einfach, aber rasant erzähltem Thriller, keine Erfindung von Brown, auch nicht die Kombination des Jahrhunderte währenden Kampfes zwischen Kirche und Wissenschaft, die legendenartige Zelebrierung des Fights des Fortschritts gegen die Mär vom Paradies und dem Apfel, der sprechenden Schlange und den Salzsäulen, gab es als denkbar offensichtlichen Plot ebenfalls in der Zeit vor Dan.
So offensichtlich und durchschaubar bleibt bis heute alles was Dan Brown schreibt. So sehr die beiden Turbo-Bestseller damals einen Hype entfachten und wahrscheinlich nur irgendwie zur rechten Zeit am rechten Ort waren, schaffen es Autor und Verlag bis heute immer wieder den alten Wein in neue Schläuche zu füllen und von Bahnhofsbuchhandlung bis Bestsellerliste, sicher bald auch wieder Kinosäle, zu fluten.
Dabei will ich nicht verschweigen, dass ich die Brownschen Powerbücher Sakrileg und Illuminati schätze. Nicht weil sie besonders pfiffig konstruiert wären oder (das am wenigsten) gut geschrieben, sondern weil sie einem damals Heranwachsenden dieses Lesegefühl gaben, den Sog, den sonst nur Harry Potter Bücher hatten und eben auch genau in meine (Lebens)Zeit passten, die Empfänglichkeit für das Ablehnen des Alten, der Glaube an die Macht der Wissenschaft und die Faszination für das Uminterpretieren von Geschichte und Geschichten.
Wenn’s am schönsten ist
Der Fehler des Dan Brown war dabei, dass er sich nicht einfach ausgeruht hat. Wobei was heißt dabei Fehler, natürlich ist es sehr, sehr klug von ihm weiterzumachen, denn so wird er ja noch reicher, auch sein neustes Werk verkauft sich bestens und bei einem Ladenverkaufspreis von 28 Euro in deutschen Läden freuen sich Verlage, Buchhändler und Daniel Braun gleichermaßen über Origin. Literaturpreise und/pder Kritikeranerkennung stinken sowieso ziemlich gegen das ab was wirklich wichtig ist: Geld.
Deswegen hat der Bestseller Autor sein altes Kochrezept rausgeholt und damit ein neues, altes Buch geschrieben:
- Hauptfigur: moderner Indiana Jones = Professor, aber cool, gebildet, aber nicht eingebildet, Tweed (ausgerechnet!), aber sexy
- irgendeine geschichtsträchtige europäische Stadt: Rom, Paris, Florenz
- ein Toter am Anfang, der irgendeiner superkrassen Entdeckung auf der Spur war oder supergeheimes Geheimwissen hatte
- schöne Frau, die mit Professor zusammenarbeitet
- ein fieslicher Killer, der am besten religös verblendet ist
- supermächtige Drahtzieher irgendeiner unsympathischen Lobby (am besten katholisch)
Daher der Plot schnell für Origin gebaut:
Langdon + Bilbao, Barcelona, Madrid + toter Mentee des Profs, der publikumswirksam seine Superentdeckung präsentieren wollte, aber kurz vorher ebenso publikumswirksam erschossen wird + schöne Frau ist die superkluge, superschöne Leiterin des Guggenheim in Bilbao, die mit dem spanischen Thronfolger verlobt ist, der möglicherweise mit der katholischen Kirche Spaniens hinter dem Anschlag steckt + der Killer ein ehemaliger Marine Offizier mit – KLAR! – direktem Draht zum (Gegen-)Papst einer absurden Strömung der katholischen Kirche
Und der Mann zieht das ja durch, das ist wirklich derselbe (nicht dergleiche!) Plot wie alle anderen vorher auch. Großes Problem aber zu den Vorgängern, die Story ist jetzt wirklich endgültig durchgekaut und größtes Problem, mindestens die ersten 300 Seiten (so weit bin ich [Update: habe es zu Ende gelesen, es bleibt langweilig]) sind unglaublich langweilig. Von der Superentdeckung weiß der Leser immer noch nichts, es gibt einen superschlauen Computer und superböse Bösewichte, das isses. 28 Steine für den fünften Aufguss eines alten Tees, geschrieben von einem nicht so superschlauen Computer.
Damit ihr euch die Euros für den nächsten Bestseller sparen könnt, hier bereits der von mir durchgeplottete nächste Robert Langdon Powerseller:
- Berlin
- ein junger Historiker, der aber nebenbei an Quantencomputern forscht, hat entdeckt, dass Hitler gar nicht tot ist, er arbeitet (wirklich!) als Schichtleiter in einem VW-Werk in Argentinien,
- weil aber Merkel nicht will, dass das rauskommt, verbündet sie sich mit der katholischen Kirche (obwohl ostdeutsche Pastorentochter!) und lässt Hitler und den Wissenschaftler umbringen, den Mord bezahlt sie mit Bitcoins und organisiert ihn über das Darknet mit ihrem Alias „Mutti“ (hintergründiger Humor, aber doch so platt, dass es alle verstehen)
- Robert Langdon war zu einem Kongress in Berlin und findet eine verschlüsselte Nachricht, er will die Entdeckung publik machen, weil Mutti das rausfindet, hetzt sie ihm und der schönen Elsa (Indianer Jones Referenz) auch einen Killer auf den Hals
- Langdon muss deshalb superschnell nach Argentinien und rausfinden, ob Hitler einen Sohn hatte
- am Ende wird alles gut
Eher zufällig fand ich diesen Kommentar zu Origin hier auf 54 Books. Die anderen Beiträge habe ich mit Interesse gelesen, auf das Buch Heimkehr wurde ich hier neugierig und werde es demnächst lesen, auch den Umgang der Deutschen mit der Deutschen Romantik finde ich interessant, wenn auch für mich nicht immer nachvollziehbar (vielleicht, weil ich Österreicherin bin und jetzt auf der Caspar David Friedrich Insel Rügen lebe). Aber den unter Literaturkritikern üblichen Verriss von Dan Brown hier zu finden, läßt mich doch denken: was soll das? Ich lese abwechslungsreich durch viele Genre und Dan Brown auf jeden Fall. Mir gefällt Origin sogar sehr gut, eben weil es zeitaktuellen Bezug hat und spannend bleibt bis zur letzten Seite. Auch wenn ich die englische Version gelesen habe, denke ich nicht, dass die Kritik hier an der Übersetzung liegen könnte. Ken Follett, Dan Brown sind sicher Cash Cows der Bücherszene, bringen den Verlagen aber auch das notwendige Geld für das Verlegen von zeitgenössischer Literatur, nicht wahr? Ich fand übrigens Siegfried Lenz „Der Überläufer“ auf Grund der banal simplen Sprache und auch Inhalt sehr enttäuschend, und Menasses Essay-Sammlung, die sich, verbunden durch ein Schweinchen als roten Faden, Roman nennen darf, ebenso. Beides von den Literaturkritiken hochgejubelt. Dennoch würde ich jetzt nicht in Trivia-Literaturforen gehen und dort meine Meinung zu Die Hauptstadt posten. Wozu diese literarischen Grabenkämpfe, ich denke, man tut dem Kulturgut Buch damit nichts Gutes.
Ich möchte nur kurz darauf hinweisen, dass hier, auf 54books, fünf Personen schreiben mit jeweils unterschiedlichen Haltungen und Positionen, es handelt sich zudem um ein Blog, nicht um ein Magazin, es gibt keine Redaktion und keine wechselseitigen Absprachen oder damit Mit-Verantwortlichkeiten. Man sollte daher bitte nicht einen von uns am Maßstab des anderen messen, das wäre nicht richtig. Die Beiträge zur Romantik und zu Heimkehr habe ich geschrieben und ich schreibe anders als Tilman. Und jeder von uns schreibt auf seine Art und für sich richtig.