Ein amerikanischer Cäsar – Die Rechte in den USA flirtet mit einer gefährlichen historischen Idee

von Annika Brockschmidt

Derzeit führen in den USA sprichwörtlich alle Wege nach Rom – zumindest, wenn es nach der amerikanischen Rechten geht. Angesichts der Durchsuchung von Trumps Florida-Anwesen in Mar-a-Lago durch das FBI gehen konservative Politiker, Medienvertreter und Influencer auf die Barrikaden – bisher nur sprichwörtlich, auch wenn die Aufrufe zur Gewalt von Seiten der Basis sich mehren. Besonders beliebt bei der amerikanischen Rechten sind dabei derzeit Verweise auf das Alte Rom: Madison Cawthorn, Abgeordneter für North Carolina, verglich das Vorgehen des FBI mit “der Zeit, als Sulla an die Macht kam”, und Tom Fitton, Chef des rechten Think Tanks “Judicial Watch” spricht vom “Rubikon”, der überschritten sei. 

Doch diese krawalligeren Erscheinungen des amerikanischen Konservatismus sind bei weitem nicht die einzigen, die sich in Vergleichen mit dem Alten Rom ergehen: Rod Dreher, Orban-Sympathisant, rechtskonservativer Publizist und eine der bekanntesten intellektuellen Stimmen der Religiösen und Politischen Rechten, fühlt sich durch die Hausdurchsuchung beim früheren Präsidenten “an die späten Tage der Römischen Republik” erinnert. Diese Rhetorik zeichnet wechselweise Biden, FBI-Chef Christopher Wray, das Justizministerium, das gesamte FBI oder alle gemeinsam – als aufstrebende Diktatoren, die sich bereit machen, gen Rom – beziehungsweise Washington – zu marschieren. 

Es ist an sich nichts Neues, dass die amerikanische Rechte ihre politischen Gegner als Möchtegern-Diktatoren framed. Diesmal steckt hinter ihrer Fixierung auf die späte Römische Republik aber auch etwas anderes. Denn hinter der Rhetorik verbirgt sich mehr als die geläufige Dämonisierung der Gegenseite: Hier wird eine intellektuelle Berechtigungsstruktur für eine radikale Idee geschaffen, die in der amerikanischen Rechten immer mehr Fahrt aufnimmt: der Cäsarismus. Eigentlich kommt dieses polit-philosophische Modell von Herrschaft unter diesem Namen im 19. Jahrhundert auf, basierend auf den Erzählungen von Cäsars Übernahme der Römischen Republik als Diktator auf Lebenszeit. Die amerikanische Rechte hat die Idee jedoch für sich entdeckt und spielt seit geraumer Zeit, mal mehr, mal weniger offen damit. Der Trend geht derzeit zum Mehr.  

Autoritäre Erzählung

Die Erzählung ist so einfach wie autoritär: Die amerikanische Republik (keine Demokratie, das wird gern und oft betont) sei wie einst die römische gelähmt, zerfressen von Korruption und handlungsunfähig. Unterstützt wird diese These durch die Blockade der eigenen Leute – vornehmlich der Republikaner im Senat – wo auch immer es möglich ist. So soll Frustration geschürt werden – während die Rufe nach einem “starken Mann”, der die Macht übernimmt und “aufräumt” lauter werden. So führt die Behauptung, die Republik sei in Gefahr, zur un-republikanischen Forderung eines Cäsars. 

Ihr amerikanischer Cäsar hätte nichts mit dem historischen am Hut – außer seiner Stellung als Alleinherrscher, als Lenker eines Imperiums, in dem die ihm Gewogenen belohnt und die Übrigen bestraft werden. Der amerikanische Cäsarismus, von dem die Rechte träumt, ist eine Form des Neo-Faschismus. Wer in Washington unterwegs ist, trifft an jeder Ecke des Stadtzentrums auf den Einfluss klassizistischer Architektur, die die historische Obsession der USA mit der Ästhetik und Architektur des alten Roms widerspiegelt. Besonders die Rechte betont jedoch den Bezug zum Altertum gern – wie Trump, der 2019 behauptete, die USA und Italien seien durch ein “gemeinsames kulturelles und politisches Erbe” verbunden, “tausende Jahre Geschichte von heute bis ins Alte Rom” verbinden. Hier wird das alte Rom nicht als demokratisches Modell hochgehalten, sondern dient als ästhetisiertes Idealmodell und Code für “westliche”, sprich christliche, weiße Kultur. So ist es wenig verwunderlich, dass unter Trump neue Bundesgebäude nur im klassizistischen Stil errichtet werden sollten. Unter Biden wurde diese Exekutivverordnung wieder rückgängig gemacht.   

Faschistische Ästhetik

Nicht umsonst hat schon der historische Faschismus die Ästhetik des Altertums für sich entdeckt, um einen Fiebertraum militanter Männlichkeit und genozidaler Auslese in einen pseudo-historischen Rahmen zu gießen. Faschismus ist eine Ideologie, die durch und durch ästhetisiert ist – diese Ästhetik jedoch nicht selbst schafft, sondern sie sich andernorts ausleihen muss. Und so ist es nicht verwunderlich, dass auch die Optik des Altertums (oder das, was sich die Rechte darunter vorstellt)  in den USA Hochkonjunktur hat. Besonders Sparta hat es ihnen, was die Ästhetik angeht, angetan: So finden sich bei den Oath Keepers, aber auch generell bei Aufmärschen anderer rechter Gruppen immer wieder spartanische Helme. “Molon labe”, alternativ in der Englischen Übersetzung “Come and Take (Them)”, ist zum Wahlspruch radikaler Waffennarren geworden. 

Die Aussage hatte Plutarch dem Spartaner-König Leonidas zugeschrieben, als dieser bei der Schlacht an den Thermophylen vom Perserkönig Xerxes aufgefordert wurde, seine Waffen niederzulegen. Auf diese Schlacht bezieht sich auch der Film “300”, dessen faschistische Ästhetik sich bei der Rechten großer Beliebtheit erfreut. Von Tucker Carlsons und Senator Josh Hawleys Fantasien halbnackter militanter Männlichkeit ist es nicht weit bis zu den offen faschistischen Aussagen eines Viktor Orbán, der sich erst jüngst gegen die “Rassenmischung” zwischen Europäern und Nicht-Europäern aussprach. Danach war er Gast bei CPAC – der Conservative Political Action Conference in Dallas – nicht unbedingt trotz, sondern vielleicht sogar gerade wegen Äußerungen wie dieser. 

Wer sich nun wundern mag, weshalb sich die Republikaner als “Back the Blue”-Partei nun so gegen eine Hausdurchsuchung des FBI wehren, von staatlicher Willkür sprechen, wo sie doch sonst die selbsternannte Partei von “Recht und Gesetz” sind, hat den Kern des amerikanischen konservativen Projekts nicht verstanden. Thomas Zimmer, Professor an der Georgetown University, zeigt, dass Vorwürfe von Republikanischer Scheinheiligkeit inhaltlich ins Leere gehen: “Die Forderung nach einer unterschiedlichen Behandlung verschiedener Gruppen durch das Gesetz ist nur dann heuchlerisch, wenn man an die Gleichheit vor dem Gesetz glaubt. Aber Konservative tun das ausdrücklich nicht. Eine scharfe Unterscheidung zwischen denen, die an die Regeln gebunden sein sollen (‘die anderen’) und denen, die es nicht sind (‘wir’), war schon immer das Herzstück des konservativen politischen Projekts”, schreibt er auf Twitter.

Ein alter Schlachtruf

Die Träume von einem amerikanischen Cäsar sind übrigens längst nicht mehr nur an den extremen Rändern der Rechten zu finden. Curtis Yarvin – ein selbsternannter rechter Philosoph, der einst Breivik kritisierte – nicht wegen der Morde auf Utoya, sondern weil die Morde ineffektiv gewesen seien – war beispielsweise zu Gast beim “The American Mind Podcast” des Claremont Institutes. Das Claremont Institute, einst ein libertär-konservativer Think Tank in der Tradition von Leo Strauss, hat sich in den letzten Jahren zur intellektuellen Speerspitze des Trumpismus entwickelt. 

Dabei flirten das Institut und seine Vertreter auch mal offen mit dem Faschismus: Wie Glenn Ellmers, der in dem Magazin des Instituts, “The American Mind”, letztes Jahr einen  Aufsatz mit dem Titel “Konservatismus ist nicht mehr genug” schrieb, in dem er sich dafür aussprach, dass man das Amerikaner-Sein nicht mehr an der Staatsbürgerschaft festmachen könne, sondern nur noch an der politischen Einstellung. All diejenigen, die 2020 nicht Trump gewählt haben, sind für ihn keine “echten” Amerikaner. 

Insofern dürfte es wenig überraschen, dass das Claremont Institute auch  offen mit dem Cäsarismus flirtet. Yarvin, bekannt unter dem Pseudonym Menicus Moldbug, – dessen Einladung allein schon ein Skandal hätte sein sollen – verkehrt jedoch nicht nur im Dunstkreis des Instituts, sondern feiert anscheinend auch mit der durch Peter Thiel gesponserten Nachwuchs-Riege der Republikanischen Neo-Faschisten Partys, wie ein Vanity-Fair-Reporter berichtete – der währenddessen auf einer dieser Feiern einen offensichtlich völlig ahnungslosen SPIEGEL-Journalisten antraf, der gerade Yarvin interviewt hatte, ohne überhaupt zu wissen, mit wem er es da zu tun hatte.. 

Das Claremont Institute spielt heute eine große Rolle bei der intellektuellen Verkleidung radikaler, extremistischer Positionen, die die Demokratie nicht nur gefährden, sondern sogar offen ihr Ende fordern. Aufgrund der Bewegung des Cäsarismus weg vom extremen Rand des amerikanischen Konservatismus hin zur salonfähigen Diskussionsmeinung in konservativen intellektuellen Spaces warnen Experten seit längerem vor Äußerungen wie denen des Senators Mike Lee aus Utah, der gern darauf beharrt, die USA seien eine “Republik, keine Demokratie”.

Auch dieser Schlachtruf ist nicht neu, sondern geht auf die rechtsextreme John Birch Society zurück. Dahinter steckt die konservative Überzeugung, dass dem Volk mit der Wahl seiner Regierung nicht zu trauen sei und deswegen eine Herrschaft der Mehrheit im Zweifel verhindert werden müsse, es sei denn, es ist die eigene. Auch hier zeigen sich mit den rechten Vordenkern und Strategen William F. Buckley und Paul Weyrich konservative Traditionslinien. Beide haben aus ihrer Verachtung für die Demokratie, wenn diese ihrem Machterhalt im Weg stand, keinen Hehl gemacht. Gleichzeitig liefert es die rhetorische Grundlage, den Weg für denjenigen freizumachen, der in den Augen der Rechten das durch Säkularismus korrumpierte Amerika retten kann: einen neuen Cäsar, einen Alleinherrscher – einen, der die Herrschaft der Minderheit Weißer Christen mit allen Mitteln sichern kann, ohne durch lästige Dinge wie ein Parlament eingeengt zu werden. So historisch daneben die Rom-Analogien von Cawthorn und Co. auch sein mögen, so wenig sie auch über die tatsächliche römische Geschichte wissen (da wäre ein Vergleich Trumps mit Catilina beispielsweise eher angebracht) – ernstnehmen sollten wir ihren Traum von einem amerikanischen Cäsar trotzdem.

Foto von Ilona Frey

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