Als Tilman Winterling im November 2012 einen Beitrag mit dem Titel “Startschuss!” auf seiner neuen Homepage 54books.de veröffentlichte, stand dort lediglich “Hier soll in nächster Zeit mein Blog entstehen.” Einen genauen Plan gab es damals eigentlich nicht, Tilman hatte sich im Vorfeld nicht mit anderen Blogs, Twitter oder Rezensionen beschäftigt; er war nach eigener Aussage ein Hobbyleser, wie es bis heute Bloggern vorgeworfen wird.
Aber 54books.de blieb nicht der Blog einer einzelnen Person. Mit dem Einstieg von Katharina Herrmann – die inzwischen wieder auf Kulturgeschwätz bloggt – erweiterte sich der Blog zu einem Projekt, das immer neue Stimmen in sich vereinte und eine kleine, aber stets lebendige Plattform für Texte über Literatur, den dazugehörigen Betrieb und literarisches Leben wurde. Matthias Warkus fuhr im Bloggerbus nach Görlitz, Berit Glanz rief mal eben schnell #54reads ins Leben, Samuel Hamen entwickelte tendenziöse Thesen zur Literaturkritik, Simon Sahner schlug sich durchs Dickicht des Literaturbegriffs, Johannes Franzen sezierte Robert Menasses Fiktionen und Nichtfiktionen, Elif Kavadar deckte die Absurdität des Zensurvorwurfes auf und Peter Hintz flanierte mit Nobelpreisträgern.
Als Wolfram Eilenberger 54books im Interview mit dem Tagesspiegel als “fast schon zu niveaubetont” bezeichnete, deutete sich an, dass hier vielleicht etwas entstanden war, das man weiterverfolgen und vorsichtig ausbauen sollte. Aber wie? Wir wollen uns Kathrin Passigs Aussage über 54books zu Herzen nehmen: “Ich glaube, das war tatsächlich das erste Mal, dass ich so was Literaturfeuilletonartiges gelesen habe und dachte “Hey! Das spielt ja auf meinem Planeten!”
Wir wollen versuchen mit 54books eine Lücke zu schließen. 54books soll ein Ort sein, von dem einerseits schnell und unkompliziert auf aktuelle Debatten reagiert werden kann, der uns und diversen Gastautor*innen Raum bietet, Gedanken auszuarbeiten und zur Diskussion zu stellen, und der uns andererseits die Flexibilität gibt, auch Themen zu bearbeiten, die sonst nicht vorkommen oder zunächst auf wenig Interesse stoßen und dabei nicht an Zeichenlängen gebunden zu sein. In sozialen Medien finden so viele spannende und inspirierende Gespräche über Literatur und alles, was damit zusammenhängt statt. Dafür einen ergänzenden Ort zu haben, ist die Idee von 54books.
Wie wäre es also, wenn das Feuilleton ins Internet käme? Wenn all die Menschen, die sich tagtäglich online in Deutschland über Literatur austauschen, selbst auf dem Feuilleton Platz nehmen würden? Wenn es einen Ort gäbe, an dem die langen Threads, die Twitter-Gespräche und Facebook-Diskussionen zu längeren Texten ausgearbeitet werden können? Wo aber auch die Formen und Längen, die im Feuilleton keinen Platz mehr haben, wieder einen Raum bekommen? Diese Vorstellung unter einem Schirm Autor*innen zu versammeln, die sonst auf eigenen Blogs, in Twitter-Threads, längeren Facebook Statusmeldungen oder mal in Magazinen und Zeitungen Rezensionen und Essays veröffentlicht hatten, hat sich aus dem Blog 54books langsam entwickelt. Nun wollen wir 54books auch ganz offiziell zu diesem Raum machen, den wir mit euch gestalten wollen. Dazu nehmen wir gerne Vorschläge für Essays von euch entgegen, die wir dann besprechen können.
Aus einem Blog, auf dem immer dann etwas erschien, wenn eines der Mitglieder, einen Text geschrieben hatte, soll ein regelmäßiges Magazin für Feuilleton im Internet werden. Im Wochenrhythmus sollen jeden Mittwoch Beiträge veröffentlicht werden. Neben längeren Essays (3x im Monat, jeweils mittwochs) soll monatlich auch ein literarischer Text veröffentlicht werden, so wollen wir den Grundgedanken von www.54stories.de in 54books integrieren. Wir wollen Gastautor*innen dazu holen, neue Stimmen suchen und schon etablierten einen freieren Raum bieten. Außerdem werden wir selbst Essays beisteuern, fremdsprachige Texte übersetzen (lassen), Gastbeiträge redaktionell betreuen und das Ganze mit einer kürzeren, wöchentlichen Kolumne und einem monatlichen Presserückblick abrunden. Und all das wollen wir bezahlen, zuallererst natürlich die Texte, die Menschen für uns schreiben und übersetzen. Wir sind daher auf Unterstützung durch unsere Leser*innen über Steady und andere Förderungen angewiesen. Dabei legen wir Wert darauf, dass wir die Schreibenden bezahlen können, aber auch darauf, dass Menschen nicht ausgeschlossen werden, die sich ein Abo im üblichen Preisbereich nicht leisten können. Deswegen bleiben wir mit unserem niedrigsten monatlichen Betrag bei Steady unter den gewohnten Abo-Preisen und die Seite wird die erste Zeit ohne Paywall bleiben.
Alles in allem und kurz gesagt: Wir wollen mit 54books Feuilleton auf unserem und hoffentlich eurem Planeten machen und freuen uns darauf, aus unserem privaten Blog jetzt ein Online-Sofa zu machen.
Gezeichnet, das 54books-Team