Nachdem die Vergabe des Literaturnobelpreises an Peter Handke verkündet worden war, übermittelte die Antaios-Lektorin Ellen Kositza auf Twitter die begeisterte Zustimmung ihres Ehemanns, des Antaios-Verlegers Götz Kubitschek: Per Shelfie zeigte sie die einigermaßen umfangreiche Handke-Sektion des Burgbücherschranks. Tatsächlich hatte Kubitschek, der seit einigen Jahren einem breiten Publikum am besten für seinen Speiseplan und seine Funktion als Ideologe von AfD und Identitärer Bewegung bekannt ist, Handke bereits 2012 als Teil des „Lektürekanons rechter Leser“ (Sezession 45/2011) bezeichnet. Literatur spielt für eine Gruppe, die sich vom Mainstream wahlweise als kulturell enthoben oder eingebunden verstehen will, schließlich keine ganz triviale Rolle.
Doch warum Handke? Zunächst haben die Schnellrodaer Selbstdarsteller*innen die Angewohnheit, ihrer eigenen Marke Publizität zu verschaffen, indem sie sie gebeten (Uwe Tellkamp) oder wahrscheinlich ungebeten (Eugen Ruge) mit etablierten Namen aus dem Kultur- und Literaturbetrieb verknüpfen. Handke ist dabei aufgrund seiner geschichtsrevisionistischen Haltung zum Völkermord im ehemaligen Jugoslawien eine Figur, die sich ähnliche Kritiker*innen wie Kubitschek gemacht hat – Kritiker*innen, die einem positivem Bezug auf Rassismus und Nationalismus weder zustimmen und denen diese Haltung auch nicht egal ist, nur weil sie sich nicht von angeblich kontextbefreiter Ästhetik ablenken lassen.
Betrachtet man Handkes eigene Jugoslawien-Interventionen, so wird deutlich, dass eine Nähe zur europäischen radikalen Rechten nicht rein zufällig ist. Wie bereits von FAZ und besonders eindrucksvoll von Alida Bremer im Perlentaucher berichtet, gab Handke noch 2011 dem verschwörungstheoretischen Magazin Ketzerbriefe ein Interview, in dem er die Opfer des Massenmords von Srebrenica verhöhnte. Wie weiter zurückliegende Äußerungen Handkes in einschlägigen Publikationen zeigen, hat eine Nähe zu rechten Extremisten bei ihm Tradition. Als Teil seiner Unterstützung Serbiens im Kosovokrieg war Handke 1999 einer der Unterzeichner einer Querfront-“Antikriegspetition” des Gründervaters des intellektuellen Nachkriegsrechtsradikalismus in Europa, des französischen Philosophen Alain de Benoist. Die Erklärung sprach sich unter anderem gegen das “erste Bombardement eines souveränen europäischen Staates durch eine amerikanische Militärallianz” seit dem Zweiten Weltkrieg aus und solidarisierte sich gleich auch noch mit den Palästinensern. Unter den Unterzeichnern fanden sich neben Handke die Schriftsteller Jean Raspail (“Das Heerlager der Heiligen”) und Guillaume Faye (“Ethnische Apokalypse: Der kommende europäische Bürgerkrieg”), sowie viele andere französische, deutsche und amerikanische Autoren aus dem ganzen neurechten, rassistischen Spektrum.
Während andere prominente Unterzeichner, denen der Inhalt des Aufrufs wohl nicht unangenehm genug gewesen war, ihre Unterschrift zurückzogen, als die Initiatoren und Mitunterzeichner noch offensichtlicher geworden waren, geht Handkes Verbindung zur französischen Nouvelle Droite weiter zurück. Bereits 1996, auf der Höhe des Skandals um Handkes Jugoslawien-Reportagen, erschien sowohl in der deutschen Zeitschrift Novo (Nr. 22/1996, wiederveröffentlicht von Suhrkamp) als auch in französischer Übersetzung im Theorieorgan Alain de Benoists, der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Éléments pour la civilisation européenne (Nr. 86/1996, wiederveröffentlicht in Nr. 149/2013), ein Interview mit Handke. Ganz im Duktus der heutigen Lügenpresse-Rufer erzählt Handke darin dem Novo-Chefredakteur Thomas Deichmann (später als Beistand des Kriegsverbrechers Duško Tadić und noch später als “Klimaskeptiker” bekannt), dass die “Medien […] eine Art Viertes Reich bilden” würden, in dem “im Vergleich zum Tausendjährigen Reich, das nur zwölf Jahre gedauert hat, überhaupt kein Ende abzusehen” sei.
Handke kann behaupten, von diesen Assoziationen mit europäischen Faschisten nichts gewusst zu haben, nichts autorisiert zu haben, nicht für das Handeln seiner Fans verantwortlich zu sein. Aber Nichtwissen hat bei ihm Tradition, und das, was er unterschrieben und gesagt hat, spricht für ihn selbst.
Manches davon war mir nicht bekannt. Und lässt mich meine Position überdenken.
Sehr einseitiger Text, dessen Autor nur zur Kenntnis nimmt, was ihm in den Kram passt: https://www.sueddeutsche.de/kultur/peter-handke-am-ende-ist-fast-nichts-mehr-zu-verstehen-1.879352-0
Danke für diesen link!
Ich sehe das anders, es ist zu einfach Handke in die rechte Ecke zu drängen und halte es für falsch.
Lese im Meister der Dämmerung und bin nun bei der Stelle, in der er mit seiner Tochter Amina Hakenkreuze übermalt.
Thea Dorn hat es im Literarischen Quartett auf den Punkt gebracht: Wenn man Handke in die rechte Ecke stellt, dann wird man nicht umhinkommen alle Bibliotheken halbleer zu räumen. (sinngemäss wiedergegeben)