von Svenja Reiner
In der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, gab es keine queeren Menschen. Das ist natürlich Unsinn. In der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, gab es mit großer Sicherheit queere Menschen, ich wusste es nur nicht. Auch meine Schule erscheint mir rückblickend als ausschließlich heteronormativer Ort, an dem die meisten Schüler:innen sowieso nicht verpartnert waren und Sexualität, wenn sie denn Thema wurde, weiß, heterosexuell und monogam gedacht war. In der Stadtbibliothek lieh ich dicke Fantasybücher von Kai Meyer oder Philip Pullman aus, im Fernsehen verfolgte ich die Rollen von Wolke Hegenbart (Mein Leben und ich) und Pegah Ferydoni (Türkisch für Anfänger) und selbst wenn ich zu Serien wie The L World oder Buffy geschaltet hätte, bezweifle ich, dass mir Homosexualität, Queerness und Queer Culture nicht doch als etwas diffus Anderes erschienen wären.
Den Unterschied zwischen sex und gender, die Buchstaben des Akronyms LGBTQIA+ oder die Bedeutung der Regenbogenflagge lernte ich erst in meinem Studium kennen und mittlerweile gibt es queere Personen in meinem Freund:innenkreis. Trotzdem bewerte ich mein Wissen über Queere Künste, Geschichte und Literatur bis heute als sehr defizitär. Ein Podcast, der mich extrem weitergebildet hat, ist Outward, der (mittlerweile) von Christina Cauterucci, J. Bryan Lowder und Rumaan Alam moderiert wird.
Ähnlich wie seine große Schwester The Waves: Gender, Relationships Feminism ist Outward kein lustiger Laberpodcast sondern eine präzise Produktion mit redaktionell recherchierter Agenda, Hintergrundinformationen und kritischen Nachfragen. Die große Stärke der drei Journalist:innen ist dabei, weder verkrampft noch trocken zu referieren. Outward der monatliche queere Salon von drei LGBTQIA+-Intellektuellen, von denen man unbedingt eingeladen werden möchte um dann beeindruckt lauschend in der Ecke zu sitzen. Neben einer guten Portion Queer History (Remember, Stonewall was a riot!), mochte ich vor allem die Folgen zu Queer Families, die Wohn- und Lebensgemeinschaften über die normative Kernfamilie hinausdenkt, oder die Diskussionen des Trios zu queerer Representation in Kinofilmen.
Da gibt es beispielsweise die exclusively gay moments von Hollywoodfilmen wie Die Schöne und das Biest (2017) oder in Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers (2019), die Lowder wie folgt kritisiert: “It is absurd to think that any queer person anywhere is like: ‘Oh, god, I feel so seen by these two extras in this billion dollar Star Wars Movie kissing for one fifteenth of a second on screen!’”. Alam vermutet, dass gerade Initiativen wie GLAAD, die die lesbische, schwule und bisexuelle Figuren zählen, zu dieser Form der Darstellung beigetragen haben: Ob eine queere Person für 20 Sekunden oder 20 Minuten zu sehen ist, welcher Anteil ihr in der filmischen Narrative gegeben wird, ob sie stimmlos bleibt oder agency entwickelt – all das wird in dieser Form der Erhebung nicht berücksichtigt. Pro queerem Auftritt bekommt der Film, klassischerweise vor dem Erscheinungsdatum, einen zusätzlichen Credit und gilt folglich als besonders divers.
Aktuell gibt es 30 Outward-Folgen in einstündiger Länge. Wer nicht so viel Zeit beim spülen oder spazieren gehen hat, dem empfehle ich die Episode zu Queerer Spiritualität in der Astrologie als besonderer Schnittpunkt zwischen verbindenden Narrativen, strukturierender Sinngebung und flexibler Bedeutungsmuster erklärt wird; die Folge zu Queerem Leben jenseits der großen Metropolen und die beiden Ausgaben über queere Sexualität während der Pandemie und bzw. Asexualität. Eine besondere Leistung dieses Podcasts ist, dass er sich für heterosexuelle Personen zugänglich ist, sich aber grundsätzlich an eine vielfältige, queere Community richtet. Oktober war Queer History Month und ich vermute, dass viele von uns in diesem Thema Nachhilfe brauchen. Also: Put this on your gay agenda.