Schlagwort: Femizid

Genie und Gewalt – Toxische Mythen kultureller Heldenverehrung

von Simon Sahner

CN: Misogyne Gewalt, Femizid

 

Norman Mailer, William S. Burroughs, Roman Polanski, Louis Althusser, Peter Handke, David Bowie, Jimmy Page und der gerade vor wenigen Tagen verstorbene Phil Spector.

Was haben diese Autoren, Schauspieler, Philosophen, Musiker, Regisseure, Produzenten und viele andere, deren Namen sich vergangene Woche unter einem langen Thread der Schriftstellerin und 54books-Redakteurin Berit Glanz sammelten, gemeinsam? Sie haben Frauen oder Mädchen geschlagen, sexuell missbraucht, vergewaltigt oder umgebracht, es wurde bekannt und sie haben danach ihre Karriere weitgehend problemlos, teilweise bis heute, fortgesetzt. Die meisten werden als Genies und wichtige Künstler verehrt. Bei dieser Auswahl handelt es sich nur um die berühmtesten; die Liste auf Twitter ist länger und auch sie ist nicht vollständig. Viele von ihnen haben darüber gesprochen, ihre Taten relativiert oder nach Jahren als großen Fehler öffentlich bereut, manche wurden rechtskräftig verurteilt, wirklich lange ins Gefängnis musste außer Spector kaum einer von ihnen.

Berühmte Männer, die Frauen Gewalt angetan haben, sind keine Seltenheit und es ist erschreckend, das so sagen zu müssen. Eine Liste mit diesen Männern würde Seiten füllen. Die genannte Auswahl beschränkt sich jedoch auf solche, deren Taten bekannt wurden, bevor ihre Karrieren beendet oder sie gestorben waren. Wenn Männer Frauen schlagen, verletzen oder gar töten, ist das vordergründig ein Fall für die Gerichte, wenn diese Männer aber Musik machen, Bücher schreiben oder Filme drehen, dann ist es auch Aufgabe der Rezeption damit entsprechend umzugehen. Problematisch wird diese Rezeption dann, wenn der gewaltvolle Teil der Künstlerbiografie zum imagefördernden Detail des künstlerisch verehrten Bad Boys oder des mysteriösen Outlaws wird. Weiterlesen