In den deutschsprachigen Feuilletons wird alle paar Jahre neu verhandelt, wie inakzeptabel es ist, sich mehr oder weniger affirmativ zu Nazi-Ästhetik, ihren Vertreter:innen und ihrem xten Aufguss zu verhalten. 2020 waren es die Juden-Witzchen von Lisa Eckart, ein im Retro-Ufa-Look auftretendes österreichisches Humor-Sternchen, die zum Gipfel ironischer Meta-Diskurse und ästhetischer Provokation hochgeschrieben wurden. Für diese Debatte hätte die Veröffentlichung der neuen Leni Riefenstahl-Biographie der Dokumentarfilmerin und Autorin Nina Gladitz im Herbst 2020 ein wichtiger Beitrag sein können. Gladitz macht die Funktion etlicher, scheinbar rein ästhetischer Argumente für die Verwischung und Normalisierung von Täterschaft im Kulturbetrieb der Nazi-Zeit und danach explizit zu einem der zentralen Themen des Buches. Diskutiert wurde die Biographie in den Feuilletons so aber nicht. Die Reaktion auf das Buch war trotzdem in gewissem Sinne einschlägig, hat es doch zu erstaunlichen (sozial)medialen Erkenntnisschüben geführt: Die Lieblingsregisseurin Adolf Hitlers und Regisseurin der wichtigsten und erfolgreichsten NSDAP-Propagandafilme war eine Nazi-Täterin. No shit, Sherlock! könnte man meinen. Bloß gehört die schlichte Erkenntnis, dass Leute, die freiwillig Nazi-Kunst machen, auch Nazis sind, eben noch immer nicht zu den Basics deutscher Debatten. Genauso wenig verbreitet ist das Wissen, dass man Menschen in Lager sperren und sie dort ermorden (lassen) und gleichzeitig Künstler:innen oder unglaublich belesen und gebildet sein kann. Mit dem Kunst-Bonus kommt der Persilschein. Immer noch.