von Hannah Zipfel
Der Mythos eines blühenden Nachtlebens, das aus Chaos und Zerfall hervorgeht, ist seit der Weimarer Republik fester Bestandteil des Berliner Stadtimagos. Von Dekadenz und Aufbruch, wildem Hunger nach Extremen, oder einer fiebrige Lebenslust am Vorabend des Zweiten Weltkriegs erzählen Publikationen, die mit Morgen ist Weltuntergang oder Ein Tanz am Rande des Abgrunds überschrieben sind. Der wohl bekannteste Allgemeinplatz in diesem Zusammenhang, ursprünglich Titel eines populären NS-Films von 1938, ist der Tanz auf dem Vulkan, der regelmäßig für die Beschreibung des Epochengefühls der Weimarer Republik herangezogen wird.
Sichere Navigation durch das brodelnde Nachtleben versprach die Touristen-Lektüre der Zeit, etwa ein auflagenstarker Führer durch das lasterhafte Berlin von 1931, den der Journalist und Schauspieler Konrad Haemmerling unter dem Pseudonym Curt Moreck verfasste. Eine Tanzdame auf dem Einband, die einen Berliner Bären an der Leine spazieren führt und der Leserschaft munter zuprostet, gibt hier die Stoßrichtung vor. In unterhaltsamen Texten inszenierte das Bändchen, das während des NS auf dem Index landete, Berlins Nachtleben als verruchten Sündenpfuhl zwischen blauem Dunst und zinnoberroten Lippen.
Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Touristenorten, laut Haemmerling allesamt „Meilensteine der Langeweile“ und Repräsentationen des „mumifizierten Gestern“, versprechen unterschiedliche Feierstätten, „Gegenwart in ihrer Intensität zu erleben“. Alternativen zum Sakrament der Ehe eröffnet zum Beispiel eine Revue im Admiralspalast des populären Bühnenautors und „Kommandeur[s] von hundert Girlbeinen“, Heinrich Haller: „Hier sind Kaskaden nackten Frauenfleisches unter Scheinwerferstrahlen über die Bühne geworfen worden, gegen die die Fleischesherrlichkeit von Rubens Jüngstem Gericht verblasst“, heißt es da in begeistertem Tonfall. Mit Rubens Großes jüngstes Gericht von 1617 bezieht sich Hämmerling auf ein Gemälde, das ,Apokalypse‘ weniger im kolloquialen Sinn als ,Katastrophisches‘, sondern gemäß ihres christlichen Wortsinns als ,Enthüllung‘ liest (hier gleich in zweifacher Kodierung).
Wobei man sagen muss, dass Rubens Kaskaden nackten Fleisches, die im Moment der Offenbarung in Verdammte und Erlöste aufgeteilt werden, weniger am Male Gaze ausgerichtet sind als die beschriebenen Girlbeine. Der augenzwinkernde Flirt mit (christlicher) Endzeitmetaphorik als einem kinktauglichen Stimulus spiegelt sich dann auch in den klingenden Namen von Amüsiertempeln wie „Katakombe“ oder „Himmel und Hölle“. In dem Luxus-Etablissement am Kurfürstendamm wird regelmäßig die Nacht- und Nackt-Revue: 25 Aktbilder aus dem Leben des Marquis de Sade aufgeführt.
„Das eigentliche Wesen der Stadt“ liegt laut Haemmerling jedoch nicht „auf der Oberfläche der Boulevards”, sondern in den verrauchten Gasthäusern und Kaschemmen des Ostens der Stadt, zum Beispiel im „Cafe Quetsch“ an der Alten Schönhauser oder im „Gummiknüppel“ an der Oranienburger Straße. Die einfachen Etablissements des Ostens, die für den Autor mit besonderer Authentizität aufwarten, stehen dabei auch in Kontrast zu den städtischen Transformationen, die der Underground-Führer in mitreißendem Präsens beschreibt. Besonders im Viertel um den Alexanderplatz, wo „bald fünf Bahnhöfe der Untergrund- und Stadtbahn ihre Menschenmassen hervorstoßen” schießen „Wolkenkratzer in amerikanischem Tempo aus der auf- und umgewühlten altberlinischen Erde“.
Haemmerling ist hier sicher auch von Döblins Bestseller Berlin Alexanderplatz inspiriert, der nur knapp zwei Jahre zuvor veröffentlicht wurde und Berlin mit der einschlägigen (heute serientauglichen) Allegorie der Hure Babylon aus der Bibelexegese verbindet. Der Aufbau der weltstädtischen Kulissen wird im Führer durch das lasterhafte Berlin nicht nur mit weltlichen Freuden, sondern auch sozialem Elend und dessen ruinösen Begleiterscheinungen in Verbindung gebracht: „Das Alte wird niedergerissen und das Neue steigt aus dem Boden. Dazwischen gibt es Ruinen. Es gibt Keller verlassener und dem Abbruch überlieferter Häuser, die nachts geheimnisvoll aufleben. […] Hier ist das altgewordene Berlin, das wieder jung werden möchte, hier lebt das Gestern, das einen starken Drang nach dem Morgen hat.”
Das beliebte Berlin-Klischee der ,Stadt im dauerhaften Wandel‘ erscheint auch noch im Jahr 2023 aktuell, allerdings unter neuen Vorzeichen. Denn heute führen vor allem die Auswirkungen eines Ausverkaufs der Stadt durch den Berliner Senat um das 2000 herum zu prekären Wohn- und auch Feierverhältnissen. Den Institutionen des Nachtlebens kommt dabei eine Doppelrolle zu. Als Flaggschiffe eines Club-bezogenen Berlin-Tourismus, der den ,Standortfaktor Techno‘ des ,European Nightlife Capital‘ als Vermarktungsstrategie etabliert, gelten bestimmte Clubs mittlerweile selbst als Gentrifizierungsfaktor. Gleichzeitig sind besonders kleinere Venues und eher subkulturelle Räumlichkeiten stark von der Verdrängung betroffen, sodass immer mehr Orte des Feierns aus der Stadt verschwinden.
Diese Entwicklung wurde bereits seit den 1990er Jahren unter dem leicht schaurigen Terminus ,Clubsterben‘ verhandelt und intensivierte sich während der Pandemie. Ein vor kurzem im Ventil Verlag veröffentlichtes Coffee-Table-Book mit dem schlichten Namen Places versammelt insgesamt 60 solcher Verlorene[n] Orte der Berliner Clubkulturlandschaft. Die großformatigen Illustrationen der Zeichnerin Tine Fetz sind mit Daniel Schneiders informativen Kurztexten über die Orte ergänzt, die Clubs sind außerdem in einer kleinen Stadtkarte aufgeführt.
Places ist damit nicht nur Beitrag zur Subkultur-Musealisierung, sondern reiht sich ein in eine Sparte aktueller Stadt-Literatur, die Berlins Geschichte vom Verfall her denkt – und zwar im Gegensatz zu den apokalyptischen Ausführungen im Führer durch das lasterhafte Berlin ziemlich literally. Populäre Tourismus-Portale wie Atlas Obscura, Berlins Stadtillustrierte oder gleich ein ganzer Bildband(Berlins Geister von 2020) heben vor allem einen Gruselfaktor hervor, wenn postsowjetischen Gespenstern einer verlorenen Zukunft in stillgelegten Abhörstationen und DDR-Vergnügungsparks nachgespürt wird. Places setztden ästhetischen Reiz verlorener Feierstätten deutlich interessanter in Szene.
Unheimliches ist in den detaillierten Schwarzweiß-Illustrationen nämlich genauso angesagt wie das ein oder andere Easter Egg, das auf teils absurde Details aus der dann doch sehr lebendigen Geschichte der Orte anspielt. Denn wie auch der Blick in die Geschichte der Popkultur zeigt, hatte die Ruine – bei Haemmerling ein morbider Ort mit besonderer Temporalität, in dem auf recht prekäre Weise „das Gestern haust, das einen starken Drang nach dem Morgen hat“ – clubhistorisch vor allem einen praktischen Nutzen.
Auferstanden aus Ruinen
Lange vor der individualtouristischen Erschließung von lost places und sogenanntem ruin porn legten Brachflächen, stillgelegte Bunker und marode Industrie-Gebäuden den Grundstein für verschiedene Musikkulturen. So florierte besonders im Schatten der ,großen‘ Ruine der gefallenen Berliner Mauer, im Ostberlin der direkten Post-Wendezeit, eine leicht utopisch anmutende Clubkultur. Techno, heute Oberbegriff für unterschiedlich ausdifferenzierte Spielarten elektronischer Musik, schwappte in den frühen 1980er Jahren aus dem angloamerikanischen Raum in die Zone.
Zur Popularisierung von Acid House aus Großbritannien, House aus Chicago und Minimal Techno aus Detroit trugen vor allem die in Berlin ansässige US-amerikanischen DJs und GIs und deren Radiosendungen und Clubs bei. Das „La Belle“ oder das „Schick“, die beide auch Erwähnung im erwähnten Bildband Places finden, waren wichtige Treffpunkte der afroamerikanischen GIs aber auch der Afro-Deutschen, die hier mal nicht in der Unterzahl feierten. Berlin bot jedoch schon wesentlich früher, im ausgehenden 19. Jahrhundert, durch den Wegfall einer Sperrstunde ein fruchtbares Feld für die Etablierung einer ausgeprägten Feierkultur. Später, nach dem Zweiten Weltkrieg, zog die in vier Sektoren unterteilte Stadt als entmilitarisierte Zone zudem Armeeflüchtlinge, Künstler*innen und andere marginalisierte Gruppen an, die sich und auch die Kulturszene der Stadt neu erfinden konnten. Neben frühen Modellen zur Kulturförderung bildeten aber vor allem die billigen Mieten und der Leerstand wichtige ökonomische Faktoren in der Etablierung des Nachtlebens, die Berlin – heute wohl undenkbar – das Label ,arm aber sexy‘ bescherten.
Neben Schwarzem Techno und House eignete sich die Feiercrowd der direkten Nachwendezeit Ostberlin als eine Art postapokalyptischen Spielplatz an: „Ob eine Panzerkammer im staubigen Niemandsland des ehemaligen Todesstreifens oder Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg, ob eine stillgelegte Seifenfabrik an der Spree oder ein Umspannwerk gegenüber dem ehemaligen Reichsluftfahrtministerium“, heißt es in der Techno-Oral-History Der Klang der Familie, „an all diesen Orten, die die jüngere Geschichte ausgemustert hatte, wurde plötzlich zu einer Musik getanzt, die nahezu im Wochentakt neu erfunden wurde.“
Die Musik, auf die in einer für solche Rückblicke nicht unüblichen Verklärung angespielt wird, war natürlich Techno. Umnutzungen von leerstehenden Gebäuden für jugendkulturelle Zwecke gab es aber schon vorher. Beispielsweise findet sich in der ersten Januar-Ausgabe der Bravo von 1962 einen Bericht über die Hamburger „Röhre“, die wie viele andere Beatclubs und Jazzbunker der Bundesrepublik ihre „erstaunliche Karriere“ in einer ehemaligen reichsdeutschen Bunkeranlage begann. Die jüngere Geschichte des Gebäudes wird in diesem frühen Zeugnis bundesdeutscher Clubkultur eher ausgeblendet, stattdessen wurden sogar „an jedem 14. Dezember vom Clubbetreiber Bobkiewicz die Eltern der jungen Gäste in das neue Wohnzimmer eingeladen[…] Herz, was willst du mehr?“.
Deutlich klandestiner traten gute 20 Jahre später die frühen Berliner Techno-Clubs auf, deren Location teilweise nur per Bandansage eines Anrufbeantworters, der sogenannten „Raveline“, oder über versteckte Hinweise in Radiosendungen preisgegeben wurden. Anders als im Fall der „Röhre“avancierten die Gebäude gerade aufgrund ihrer unheimlichen Atmosphäre zum eigentlichen Star innerhalb der frühen deutschen Techno-Kultur. Nachvollziehen lässt sich das zum Beispiel in einem Bericht über die Expedition zum späteren Club „E-Werk“, der in Klang der Familie geschildert wird:
Wir haben uns weiter umgeschaut und standen irgendwann in dieser Schaltzentrale. Die ganzen Armaturen waren dick mit Staub bedeckt, aber trotzdem hatte man das Gefühl, dass die Männer, die da mal gearbeitet haben, gerade erst raus sind. Als ob die schnell weg mussten. Tschernobyl war ja auch nicht so lange her. Durch die Fenster fiel ein ganz besonderes Licht in den Raum. Wunderschön. Das E-Werk lag direkt am Todesstreifen, daneben war das heutige Finanzamt, das damals leer stand. Auf der anderen Seite war eine Kneipe namens Lands End.
Obwohl der Kalte Krieg gerade offiziell für beendet erklärt worden war, erscheint die Zeit hier merkwürdig eingefroren. Unter den Geistern der jüngeren Vergangenheit, die durch die Gebäude spuken, ist auch ein imaginierter Atomschlag, der das Feiererlebnis durch eine Prise Katastropheneuphorie intensiviert. Schon Punk reagierte auf die Zukunftslosigkeit atomarer Bedrohung, indem sie laut Frank A. Schneider das „mögliche Ende als Realitätsmaterial akzeptiert hatte, mit dem gespielt werden konnte“. Techno peilt zwar eine meist durch Drogen induzierte zeitliche und körperliche Entgrenzungserfahrung an (die literarisch gerne auch in Kirchenliturgie übersetzt wird, prominent etwa in Rainald Goetz Roman Rave), teilt aber nicht die inszenierte Selbst-Ruinisierung und gegenkulturelle Agenda des Punk.
DennTechno lieferte auch den Soundtrack zur Öffnung der innerdeutschen Grenze und kann damit als Katalysator für eine historische Zäsur gelesen werden, in der Berlin symbolisch von seiner schweren Vergangenheit ,befreit‘ wurde. Dieser Aufbruchsstimmung zum Trotz umgab die im Kontext der Wende dem Kapitalismus zum Opfer gefallenen ehemaligen Produktionsstätten der DDR jedoch auch ein dystopischer Vibe prekärer Arbeitsverhältnisse. Die stillgelegten Elektrizitätswerke und Fabriken, die mit der zu Grunde gehenden Automobilindustrie in Detroit oder maroden Warehouses in Chicago Parallelen in den angloamerikanischen Epizentren des Techno hatten, wurde später weniger mit einem augenzwinkernden ,arm aber sexy‘ als mit dem Narrativ des ,abgehängten Osten‘ verbunden. Diese Geister des Kommunismus sind heute kommodifizierbar und, sofern sie noch vorhanden sind, größtenteils individualtouristisch erschlossen.
Der drohende Kollaps
Kapitalistische Verwertungslogik kann jedoch auch eine Art von Ruine hervorbringen, die sich weniger mit einer unheimlich-posthumanen Szenerie, an der langsam der Zahn der Zeit nagt, assoziieren lässt. Wir erinnern uns an die apokalyptischen Bilder des geplatzten Aquadomes, einem riesigen Indoor-Aquarium in einer Berliner Hotellobby, die im Dezember zum Sinnbild eines großstädtischen Katastrophenbewusstseins à la 2022 wurde. In fast schon biblischer Bildsprache konnte man in der überregionalen Presse nachverfolgen, wie es aussieht, wenn der Spätkapitalismus Fische auf die Straße rülpst.
Den drohende Kollaps durch fehlende Wartung oder sogar geplante Obsoleszenz beschwor die Punkband Einstürzende Neubauten bereits in den frühen 1980er Jahren mit ihrem Bandnamen, in dem sich eine ,Von-Anfang-an Ruine‘ andeutet. Der ,einstürzenden Neubau‘, der nachträglich durch die Musikpresse auch auf den Einsturz der Berliner Kongresshalle am 21. Mai 1980 bezogen wurde (ein gescheitertes Bauvorhaben und ziemliche Katastrophe mit mehreren Verletzten und einem toten Rundfunkreporter), lässt sich als besonders krasse Form eines enttäuschten Zukunftsversprechens interpretieren.
Ein ähnliches ,No Future‘ attestierte Charles Jencks in seinem 1977 erschienenen The Language of Postmodern Architecture auch einem anderen architektonischen Rohrkrepierer: Die Pruitt Igoe-Siedlung in St. Louis, einst als Großprojekt sozialen Wohnungsbaus angelegt, zerfiel in kürzester Zeit durch fehlende Instandhaltung, Vandalismus und Bandenkriege und wurde nur 17 Jahre nach ihrer Einweihung 1955 im Jahr 1972 wieder abgerissen. Die Sprengung des Komplexes markiert laut Jencks das Ende der architektonischen Nachkriegs-Moderne und den Beginn der Postmoderne in der westlichen Welt.
Diese fand auch außerhalb der Architekturtheorie Einzug in den Diskurs und wurde später vor allem mit dem Gefühl, irgendwie am Ende der Geschichte angekommen zu sein, assoziiert. Denkt man heute unter Umständen an die depressiven Symptomen eines Kapitalistischen Realismus, den Mark Fisher mit der Alternativlosigkeit des Neoliberalismus (und Geistermetaphern) in Verbindung brachte, schlug die damalige Feiercrowd auch feierfreundliche Copingstrategien bezüglich der Posthistoire vor: „Wir wissen jetzt, dass das Längeraufbleiben der geometrische Strahl, oder meinetwegen Vektor, der einzige unendlich in eine Richtung zeigende Pfeil ist, der uns geblieben ist.“
Ob diese Rechnung, die sich in Diederich Diederichsen Generationenportrait Sexbeat von 1985 nachlesen lässt, auch in Pandemiezeiten aufgeht, ist fraglich. Denn ebenso wenig wie der ,Tanz auf dem Vulkan’ erscheint auch ein ,ewiger Feiervektor‘ als gute Strategie, der Gegenwart standzuhalten. Die Institutionen des Feierns haben es, wie bereits angedeutet, unter diesen Bedingungen besonders schwer: Nach langen Schließungsphasen während der Lockdowns 2019 – 2022 waren viele Clubs zu mehr oder weniger kreativen Umnutzungen gezwungen.
Neben der Transformation in Corona-Testzentren dienten unheimliche leere Club-Räume als Kulisse für nicht besonders intensive, vom heimischen Sofa aus zu erlebende Streaming-Events. In anderen Fällen wurde die Tanzfläche von Kunstwerken und einem Ausstellungspublikum bevölkert, das es unter anderen Umständen vielleicht eher nicht in Clubs wie das Berghain hineingeschafft hätte. Im Jahr 2023, in dem viele Clubs wieder ihren Betrieb aufgenommen haben, sind es vor allem der Personalmangel und die hohe Unterhaltungskosten durch die Inflation, die für Clubs (wie für so viele andere Bereiche der Veranstaltungsbranche) den finanziellen Ruin bedeuten.
In der Zukunft dürften es daher wohl noch einige Clubs in neue Nachschlagewerke über Berlins verlorene Orte schaffen; eine Entwicklung, vor deren Hintergrund sich keine feiertaugliche Katastropheneuphorie einstellen mag. Ein „Hurra, die Welt geht unter” geisterte dabei bereits 2015 in einer Endzeitfantasie der Band K.I.Z. durch die Popkultur und wurde auch auf einer Tagung zum Thema „No Future!“ im idyllischen Tutzing gemeinsam mit diesem Text diskutiert. In dem Feature zum gleichnamigen Album, das sich mit dem Annenmaykantereit-Sänger Henning May eine für die Band eher untypische Form von Schwiegermutter-tauglicher Popmusik ins Boot holt, spielen zumindest städtische Verdrängungsprozesse keine Rolle mehr.
Stattdessen werden neue Gemeinschaftsformen zwischen Prepper- und Cyberpunk-Community imaginiert, die beim Barbecue in den fiktiven „Ruinen des Potsdamer Platzes“ Würstchen „auf Gefängnisgittern“ rösten. Ob hier dann tatsächlich „unter den Trümmern das Paradies“ liegt, kann bezweifelt werden. Zum ausgelassenen Feiern regt die merkwürdig unironische Aktualisierung muffiger Spontisprüchen vor hipper ,Postapo‘-Ästhetik jedenfalls nicht an.
Foto von Raphael Schaller auf Unsplash