von Marie Isabel Matthews-Schlinzig
Schreiben ist die Kunst des Weglassens. Darin ähnelt es dem Erinnern. Aus erlebten Momenten zurren sie neue Bilder zusammen, destillieren Essenzen aus Raum und Zeit. Die Imagination fügt ihren Teil hinzu und denkt so stets die Gegenwart mit. Das gilt für die Geschichten, die das eigene Leben schreibt ebenso wie für die anderer Menschen.
Gelegenheiten zu einem solchen Mit- und Hineindenken bietet Helga Schuberts neuester Band Vom Aufstehen – Ein Leben in Geschichten viele. Er ist ein Meisterstück autofiktionalen Erzählens. Uneitel, präzise und ohne Pathos skizziert die Autorin in 29 teils sehr kurzen Prosatexten, was es heißt, die Welt aus verschiedenen, ineinander greifenden Perspektiven wahrzunehmen: als „Kriegskind“, „Flüchtlingskind“, „Kind der deutschen Teilung“, als Schriftstellerin in der DDR und danach, Pflegende, Mutter, Psychologin, Nachbarin, Gläubige und Mitglied der evangelischen Kirche. Ein Reichtum an Blickwinkeln, der zahlreiche Anknüpfungspunkte für Leser:innen schafft, gesammelt in ein und derselben Erzählstimme.
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