von Alex Struwe
Im Jahr 1999 stand das Konzept der Realität im Mittelpunkt des popkulturellen Interesses. Kurz vor dem Millenium, an dem angeblich alle Computer und ihre virtuelle Doppelwelt abstürzen sollten, verunsicherte der Film Matrix eine ganze Generation über den ontologischen Status ihrer Welt und zugleich läutete der Start des TV-Formats Big Brother die Ära des Reality-TV ein. Die vulgär antikapitalistische Kulturkritik von Fight Club, Matrix oder Truman Show, dass unsere Wirklichkeit nur bunte Fassade einer „Wüste des Realen“ sei, ging mit dem neuen Jahrtausend in eine Kulturproduktion über, die zwischen Realität und Ideologie gar nicht mehr unterscheiden wollte. Statt weiter an fantastischen Illusionen zu arbeiten, war das Reality-TV Wirklichkeit und Inszenierung zugleich.
Wie Mark Fisher damals schrieb, war Reality-TV gewissermaßen das perfekte kulturindustrielle Produkt jener Zeit: eine kostengünstige Produktion von hochgradig wirksamer Ideologie und zwar auf der Höhe jenes post-ideologischen Zeitgeists, der hinter dem Pathos epischer und „großer“ Erzählungen die eigentliche Ideologie witterte. Statt großer Helden gab es nun echte Menschen, wie man sie aus Talk Shows kannte – einem Genre, das in Deutschland mittlerweile gänzlich ausgestorben ist. Ob im großen „Sozialexperiment“ Big Brother, im sogenannten Trash-TV wie Frauentausch oder den unzähligen Berichtsformaten aus dem Berufsalltag von Polizei, Gericht und Anwaltschaft: Das Fernsehen war jetzt real geworden.
Die Realität des Reality-TV darf dabei nicht zu wörtlich genommen werden. Es geht nicht um die Dokumentation der Lebenswirklichkeit von Menschen. Real sind einzig die Figuren, die man in eine durch und durch künstliche Situation verfrachtet hat: eine „gescriptete Realität“, die aus der Zuspitzung realer gesellschaftlicher Zwänge besteht. Von Anfang an gehörte diese Mogelpackung zum Reality-TV dazu. Denn es ging nicht um eine Alternative zu den ideologischen Erzählungen – um vermeintlich echte Erfahrungen und Einblicke –, sondern um deren Fortführung mit anderen Mitteln.
Das 90er-Unbehagen gegen die unechte Welt, eine allumfassende Werbeindustrie und die Kommerzialisierung alles Populären übersetzte sich konsequenterweise in die Überzeugung, dass nur die Menschen noch echt seien. Die Wut auf die falsche Gesellschaft hatte sich in die Innerlichkeit verflüchtigt: Das „Fuck the System“ des Punk war in den 1990er Jahren zum „I hate myself and I want to die“ des Grunge und später zum kühlen Hedonismus des Techno geworden. Den Betrug der Welt zu durchschauen, ohne etwas daran ändern zu können, bestärkte auf eine wohlige Art die Vorstellung, immerhin noch ein intaktes Subjekt zu sein. Zu wissen, dass alles aus Plastik besteht, ist die Probe auf das fühlende, authentische Individuum. Und das war die Grundlage, auf der das Reality-TV das Millenium einläutete, das Zeitalter der Sozialen Medien, des Influencermarketings, der beispiellosen Traurigkeit bloß formaler Individualität. Was ist seitdem aus uns geworden?
Im Gegensatz zu manch anderen Formaten des kulturellen Zeitgeists existiert Reality-TV auch in diesen angeblich schnelllebigen Zeiten noch. Es gibt heute unzählige Reality-Shows, die meisten davon die Wiederholung und Abwandlung bewährter Formate. Gerade das erlaubt es, daran eine Entwicklung zu beobachten, die einer gesellschaftlichen Tendenz entspricht: Die Beschwörung des Individuums hat einen ambivalenten Charakter bekommen, den Zug einer zunehmenden Faschisierung. In diesem Widerspruch steckt die passende Subjektivität einer liberalen Gesellschaft, die durch den Fortschritt hindurch immer weiter in die Katastrophe schlittert.
Reale Demütigung
Am Beginn des großen Erfolgs von Reality-TV steht das Format Big Brother. Unter ständiger Videoüberwachung wurden dabei Menschen in einem „Container“ zusammengepfercht und standen in einem Wettbewerb um möglichst langes Durchhalten. Gegenseitig nominierten sich die Teilnehmenden zum Rauswurf, bis am Ende eine Person übrigblieb, die ein Preisgeld erhielt. In annähernd 70 Ländern wurde die Show ausgestrahlt und nicht selten als gesellschaftliche Grenzüberschreitung diskutiert. Voyeurismus, Mobbing, Druck – die Zuschauenden sahen regelmäßige Zusammenschnitte eskalierender Konflikte und zerbrechender Persönlichkeiten.
Verkauft wurde dieses Setting als wagemutiges „Sozialexperiment“, was zynisch ist, aber auch einen Punkt trifft. Es zeichnete ganz deutlich die Struktur des Reality-TV vor: Was machen die vermeintlich echten Menschen in dieser simulierten Zuspitzung und künstlichen Verdichtung sozialer Zwänge. Der psychosoziale Stress ist bis heute eine der zentralen Komponenten von Reality-Shows, wenn Kandidat:innen unter Entzug von Privatheit und Schlafmangel ständig „Party machen“ und Wettbewerbe absolvieren müssen. Regelmäßig wird in aktuellen Formaten betont: „Wie krass das alles ist“ und „Ich hab das unterschätzt“.
Das Ursprungsformat Big Brother deutet eine der zwei grundlegenden Varianten an, in die das Genre Reality-TV grob zerfällt, und zwar jene Formate, die hauptsächlich Demütigung zum Gegenstand haben. Im sogenannten Dschungelcamp bis hin zu Das Sommerhaus der Stars geht es vor allem darum, Menschen an der Belastungsgrenze von Ekel, Scham oder sozialen Konflikten beim Kollabieren zu beobachten, ihr Selbstwertgefühl brechen zu sehen. Zur Dschungelprüfung essen die Teilnehmenden Insekten, Känguruanus oder Krokodilpenis, im Sommerhaus müssen sie mit ihren Lebenspartner:innen in Extremsituationen den unmöglichen Zusammenhalt ihrer Beziehung beweisen.
Dass es sich hierbei traditionell um Prominente handelt – allerdings C-Promis, die auf den Wirkungsradius dieser untersten Stufen der Unterhaltungsindustrie beschränkt bleiben –, legte oft die Deutung nahe, hier würde sich das kleinbürgerliche Strafbedürfnis zeigen, diejenigen zu erniedrigen, die sich wohl für etwas Besseres hielten. Eine solche These ließe sich auch am sogenannten Trash-TV plausibilisieren.
Diese Bezeichnung kommt ja nicht etwa von der minderwertigen Produktion der Formate, sondern daher, dass hier Menschen vorgeführt werden, die offen oder uneingestanden für Abfall gehalten werden: faule Arbeitslose, durchtrainierte Dumpfbacken, Tussies, selbsternannte Prominente, die den Status gar nicht verdient hätten, weil sie ja doch gar nichts geleistet hätten, aber auch Nerds, Dicke oder sonstwas für Leute, die sich gesellschaftlich notwendigen Durchschnitten nicht genügend unterordneten.
Die Lust an Schadenfreude und Bestrafung ist sicherlich ein wichtiger Aspekt vieler Formate. Aber die Gesamtheit des Reality-TV legt einen anderen Schluss nahe. Es geht weniger um diese vermeintlich kathartischen Effekte, den Aggressionsabbau oder sonstige Projektionsleistungen. Genau genommen besteht die Anziehungskraft der Formate vor allem darin, Menschen beim Scheitern am klassischen Ambivalenzkonflikt moderner Gesellschaften zuzusehen, nämlich als freies Individuum abhängig von der Gesellschaft zu sein.
Die Individuen werden in zugespitzte gesellschaftliche Konflikte gescriptet, die ihnen ihre eigene Grenze aufzeigen sollen. Wie weit werden sie sich an die widrigen Umstände und die irren Regeln anpassen?
Reales Empowerment
Diese Struktur verbindet die Demütigungsformate mit der zweiten Variante des Reality-TV, die das Gegenteil von Erniedrigung anzuvisieren scheint: In den „Kuppelshows“ wie Der Bachelor und Die Bachelorette, ergänzt um queere Formate wie Prince Charming und Princess Charming geht es um Empowerment. Während sich die erste Sparte der Reality-Shows dem Großthema Individuum und Gesellschaft widmet, sind die Kuppelformate mit der romantischen Liebe befasst. Liebe ist deshalb so wichtig und Anker bürgerlicher Individuen, weil sie traditionell das Trostpflaster für das gesellschaftliche Elend darstellt: Statt einer versöhnten Welt der Freien und Gleichen, soll jeder Topf einen Deckel bekommen, der ihn „ganz“ macht. Im Mittelpunkt der Formate steht daher immer die Frage: „Die große Liebe im Fernsehen finden, geht das?“
Ja, beteuern die Kandidat:innen unentwegt, denn sonst wären sie ja nicht dabei. Sie sind auf der Suche, auf einem „Abenteuer“ und entschlossen, den oder die „Richtige“ zu finden. Gerade an der letzten Staffel der Bachelorette wurde das Empowerment-Potenzial dieser Formate sehr deutlich. Der Cast war divers, die Männer mal Bad Boy, mal Softie, manche konnten sogar über echte Konflikte mit sich selbst sprechen. Die Bachelorette ist eine selbstbewusste und facettenreiche junge Frau, die „weiß, was sie will“ und entgegen aller Widerstände und trotz Haarausfalls „ihren Weg geht“.
Überhaupt ist der Charakter sehr wichtig, wichtiger noch als Tattoos oder durchtrainiert zu sein. Oft meint das aber nur, dass man ein bestimmtes Set an trivialsten Verhaltensnormen für sich zusammengestellt hat: Man sei „Beziehungsmensch“, humorvoll, ehrlich, kein „Fuckboy“, immer positiv etc. Unzählige Male beobachtet man Unterhaltungen, in denen jemand sagt: „Ich bin ein Familienmensch“. Und die andere Person antwortet: „Du bist vom Charakter echt genau wie ich.“ Die Oberflächlichkeit der Charaktere kann man belächeln, aber es sind ja trotzdem Individuen mit starkem Selbstwertgefühl – auch wenn das nur ihren Marktwert spiegelt.
In der queeren Adaption Princess Charming wirkt das schon emanzipatorisch. Die Frauen nehmen sich gegenseitig in ihren Eigenheiten ernst, es herrscht respektvolle und trotzdem lockere Stimmung, ein fast solidarisches Miteinander in der Konkurrenzsituation der Partnerinnenwahl. In den Gesprächen erfahren die Zuschauenden von den Kämpfen um Anerkennung, Diskriminierungserfahrungen und den abstrakten Idealen liberaler Freiheit und Toleranz. Notwendigerweise bekommen die unzähligen Ich-Botschaften des Diversity aber etwas Gebetsmühlenartiges: Die Betonung, dass man wirklich man selbst ist, geht direkt dazu über, dass es doch egal ist, wer man ist. Diese Leere der freien Individuen rührt natürlich daher, dass ihnen immer noch die Grundlage einer befreiten Gesellschaft fehlt.
Die Tragik einer nur der Idee nach verwirklichten Individualität schwingt bei der Suche nach den Traumpartner:innen, den perfekten Dreamdates, den Reisen nach Mexiko oder Thailand immer mit. Spätestens wenn die Kamerateams die sich jetzt Schatzi nennenden Couples in Düsseldorf oder Köln in der 3-Zimmer-Neubauwohnung mit Dekoartikeln und Live-Love-Laugh-Wandtattoos besuchen, wissen alle wieder, wovon sie das ganze Abenteuer lang eigentlich geträumt haben: dass es zu Ende ist. Der nächste Schritt, zu dem sich alle ständig bereit bekunden – Heiraten und eine Familie gründen –, soll bitte auch der letzte sein. Die Mühen der Individualität laufen auf deren Negation hinaus.
Reale Widersprüche
Darin sind sich beide Varianten des Reality-TV auffallend ähnlich: auf der einen Seite die übermächtigen Zwänge, die zur Selbstaufgabe in der Anpassung treiben, auf der anderen Seite die Sehnsüchte der Individuen, endlich kein Individuum mehr sein zu müssen. Was sie verbindet, ist eben eine gesellschaftliche Wirklichkeit, in der die Kränkungen real sind. Tief drinnen spüren wir, dass die marktförmige Individualität wirklich ein so wenig erstrebenswertes Produkt ist, wie es das Reality-TV bewirbt.
Der Lustgewinn am Reality-TV besteht aber nicht darin, uns diese Einsicht zu ermöglichen. Ein solch kritisches Fernsehen müsste erst noch erfunden werden. Die eigentliche Anziehungskraft des Reality-TV ist, dass die Shows noch einen Schritt weiter gehen: Sie enthalten schon etwas, das man die Rache an der individuellen Freiheit nennen kann. Und dieses Moment wird am deutlichsten in jenen hybriden Weiterentwicklungen, die beide Aspekte des Reality-TV miteinander verschmolzen haben: Temptation Island, Love Island oder Are You the One? verbinden die Partnersuche mit der Gefängnissituation von Dutzenden Kandidat:innen, die in einer Villa zusammengepfercht werden, ab und zu zum Bootfahren oder Stranddate raus dürfen und ansonsten fast jeden Abend feiern und trinken müssen. Hier trifft die emotionale und psychische Zermürbung des Big Brother-Containers auf die zum fast animalischen Akt reduzierten Paarungsrituale besoffener Islander:innen.
Die Sendung Temptation Island bildet in dieser Reihe einen bemerkenswerten Fall. Das Format ist eine Art Beziehungs- oder Treuetest, bei dem sich mehrere Paare für zwei Wochen getrennt in eine Villa mit „heißen Singles“ des jeweiligen Geschlechts begeben. Im US-Amerikanischen Original hat die Serie dabei einen fast psychotherapeutischen Anspruch: Die Kandidat:innen begreifen sich in einer Selbstfindungsphase, sie wollen „wachsen“ (I want to grow as a person) und für sich herausfinden, ob ihre kriselnde Beziehung wirklich das persönliche Investment wert ist.
Ihre Erlebnisse werden vom Moderator in Einzelgesprächen ausgewertet, der sie immer wieder daran erinnert, dass es dabei um sie und ihren Reifeprozess ginge. In der deutschen Adaption ist von dieser liberalen Sorge um das Individuum kaum etwas übrig geblieben. Es geht hier mehr um Empörung über die Tabubrüche des Fremdgehens, moralische Verurteilung und Skandalisierung der heraufbeschworenen Sex-Eskapaden. Hier gibt es Treue oder Abweichung und jede individuelle Regung läuft Gefahr, als Verrat an den gesellschaftlichen Normen sanktioniert zu werden. Die Ordnung bekommt wieder Vorrang.
Bei genauerem Hinsehen kann man durch die Bank weg etwas Autoritäres in den Sendungen finden: den Körperkult feindefinierter Muskeln, Tattoos und Schönheitseingriffe, die HJ-Männerfrisuren, problematische Vorstellungen vom ‘Südländer’ und die regressiven Familien-, Frauen- und Weltbilder. Klaus Theweleits Männerphantasien waren hier offenkundig Vorlage des Scripts.
Selbst die Sprache ist dabei von selbstverständlicher Härte und Brutalität durchsetzt, wenn die Männer sich als „Jäger“ vorstellen, die bei Frauen „auf Angriff gehen“, oder regelmäßig Leute ihre Überforderung damit kommentieren, es würde „ihren Kopf ficken“. Die Inszenierung spielt damit, dass sie sich gerade noch so an die Mindeststandards von Triebunterdrückung hält und die Stammesgemeinschaft der soldatischen „Bros“ schon in Aussicht stellt.
Aber es ist eben nicht einfach nur autoritär, was im Reality-TV passiert, sondern hochgradig ambivalent. Dafür ist es absolut bezeichnend, dass die schlimmste Beleidigung in diesen Formaten darin besteht, dass jemand nicht echt sein würde, ein falsches Spiel spiele und „fake“ sei. In diesem hochgradig professionalisierten Business, auf dem sich ganze Karrieren wiederkehrender Reality-Stars aufbauen, wirkt das fast wie Ironie. Aber es liegt eine traurige Wahrheit darin.
Die Echtheit der Kandidat:innen besteht ja zu einem gewissen Grad darin, schon so beschädigt zu sein, dass ihnen die Stereotypie ihrer Individualität gar nicht mehr vorgegeben werden muss: die Grenzen zwischen professioneller Inszenierung und Personality sind ja ganz real gefallen. Die Authentizität, auf die sich die ganze Zeit berufen wird, hat den bedrohlichen Unterton von Unfreiheit.
Das zeigt sich im Konzept der Authentizität selbst. Während es den Protagonist:innen heilig ist, „sich selbst treu“ und echt zu bleiben, dient diese Vorstellung zugleich zur Abwehr von individueller Verantwortung. Denn es bedeutet nicht, dass man offen über Bedürfnisse und Gefühle spricht, sich als Individuum greifbar macht und damit auch dem Gegenüber die Chance geben würde, dasselbe zu tun. Offen und ehrlich ausgesprochen wird nur, ob „der Vibe stimmt“, „es passt“, es einen „Wow-Effekt“ gegeben hat und ob man „es fühlt“.
Die Kandidat:innen müssen eben auf ihr Herz hören und ermahnen sich gegenseitig: „Du bist zu verkopft“. Wo eine mystische Kraft des Vibe und der Gefühle waltet, da gibt es tatsächlich nichts mehr zu reflektieren. Denn für seine Gefühle könne man bekanntlich nichts. Unzählige Male wird dies zur Rechtfertigung angeführt: wenn ein Typ einer Frau emotionale Bindung vorspielt, um mit ihr zu schlafen, und dann ganz ehrlich sagt, dass die Gefühle danach weg seien.
Authentisch ist daran, dass man zwar noch ein Individuum, aber streng genommen kein Subjekt mehr ist. Für die Handlungen übernimmt man keine Verantwortung, diese liegt bei höheren Mächten. Ist man aber erst einmal in diesem Zustand, so ist nichts an Individualität erhaltenswert, dann kann sie genauso gut auch einfach in stereotypen Charaktermodellen oder der autoritären Gemeinschaft entsorgt werden. Individualität wird dann zum Argument gegen sich selbst. Das seltsame Nebeneinander von liberalem Empowerment des Individuums und solchen Formen der Regression ist tatsächlich Ausdruck eines Zeitgeistes. Es entspricht der Tendenz eines liberalen Fortschritts, blind in die Katastrophe zu laufen.
Im Reality-TV findet man diese Ambivalenz in Form authentischer Individuen, die ihren Autonomiekonflikt mit gesellschaftlichen Zwängen tendenziell durch Unfreiheit lösen. Das wiederum ist eine Tendenz, in der Ohnmacht schon die überhand genommen hat. Weil sich die Gesellschaft nicht ändern lässt, die einem Freiheit verspricht, aber nicht einlöst, richtet sich die Aggression gegen die Freiheit selbst. Die ambivalenten Individuen des Reality-TV tragen die Spuren dieser Entwicklung und daraus lässt sich vor allem eines über die Realität lernen: der Übergang einer liberalen Gesellschaft in Formen autoritärer oder faschistischer Herrschaft vollzieht sich nicht als Bruch. Es geht schleichend und in verwirrender Gleichzeitigkeit von formaler Freiheit und Regression.
Foto von Dave Weatherall auf Unsplash