von Isabella Caldart
Sitcoms, die keine Familie, sondern einen Freundeskreis im Zentrum der Handlung haben, tun sich schwer damit, das Thema Kinder logisch und unterhaltsam in den Handlungsbogen einzubauen. Sind die Schauspielerinnen tatsächlich schwanger, wird – mal mehr, mal weniger gelungen – versucht, die Schwangerschaft während des Drehs zu kaschieren, oder aber die Figur wird für einige Folgen aus der Serie geschrieben.
Kinder erst am Ende
Originell handhabte „Friends“ die Schwangerschaft von Lisa Kudrow, die auf eine Weise in den Plot eingebaut wurde, die für ihre Zeit (1998) sehr ungewöhnlich war: Die Figur Phoebe wird zur Leihmutter für ihren Halbbruder und bringt in der 100. Folge der Serie Drillinge auf die Welt. Erst in den letzten Staffeln von „Friends“ spielen Kinderwunsch und Schwangerschaft eine Rolle für die Protagonist*innen: Rachels und Ross‘ Kind wird im Finale der achten Staffel geboren, und Monica und Chandler, die lange erfolglos versuchen, Eltern zu werden, adoptieren im Serienfinale Zwillinge.
Ähnlich ist es bei „Sex And The City“: Im Finale der vierten von sechs Staffeln wird Miranda Mutter, während Charlotte im Serienfinale ein Kind adoptiert. Auch „New Girl“ lässt sich Zeit: Erst im Finale der sechsten Staffel wird Ceces Schwangerschaft enthüllt. Lily und Marshall werden in der siebten Staffel von „How I Met Your Mother“ Eltern, und bei „The Big Bang Theory“ kommt das Kind von Bernadette und Howard in der zehnten Staffel auf die Welt, während Penny und Leonard sogar bis zum Serienfinale auf die Schwangerschaft warten müssen. Kinder markieren in diesen Sitcoms oft den endgültigen Eintritt ins Erwachsenenalter und somit das Ende des erzählenswerten Lebens.
Eine fast vergessene Sitcom
Wenig überraschend spielt das Thema Kinder auch in „King of Queens“ eine Rolle, immerhin handelt die Serie von einem verheirateten, heterosexuellen Paar. „King of Queens“ (1998-2007) ist heute eine fast vergessene Sitcom. Das mag zum einen daran liegen, dass die Serie bei Kritiker*innen anders als bei ihren Fans nie sonderlich beliebt war, und auch daran, dass sie in ihrer Prämisse erstaunlich abwechslungsarm ist und sie somit keinen großen Einfluss hinterlassen hat.
Sitcoms sind generell nicht bekannt für außergewöhnliche Handlungsstränge oder große Weiterentwicklung ihrer Figuren, aber „King of Queens“ setzt dem die Krone auf: Neun Jahre lang ändert sich nichts an der Konstellation des Ehepaares Doug und Carrie Heffernan, die mit Carries Vater Arthur (gespielt von Ben Stillers Vater Jerry Stiller) in einem Haus in Queens leben. Diese Schlichtheit ist, wie sich herausstellt, ein Erfolgsrezept, immerhin bringt es die Serie auf neun Staffeln mit insgesamt 207 Episoden. Die stets gleichbleibende Ausgangssituation bedeutet auch, dass es ziemlich irrelevant ist, ob man die Serie chronologisch guckt oder nicht. Man weiß, was man bekommt.
Dass an dieser Konstellation nicht gerüttelt wird, heißt natürlich: Im Verlauf der Serie bekommen Carrie (Leah Remini) und Doug (Kevin James) keine Kinder. Für eine Sitcom, die anders als die oben erwähnten eine (kleine) Familie und nicht einen Freundeskreis als Kern hat, ist das eine ungewöhnliche Entscheidung. David Bickel, einer der Executive Producers, sagte dazu in einem Interview von 2006:
In der Tat wollte das Studio nie, dass wir das machen. Ich denke erstens, weil das Publikum [diese Storyline] als eine Art Rettungsinsel, eine „Powerpille“ wahrnimmt, die ausprobiert wird, um Ideen für Handlungsstränge zu bekommen. Dem kann man nicht widersprechen. Zweitens waren sie, glaube ich, der Meinung, dass man, wenn der Familie Heffernan etwas „Großes“ passierte, die alten Staffeln als „prä-Baby“ und die neuen als „post-Baby“ datieren würde, und das schadet der Lizenzierung der Sendung ein bisschen. Und für uns war die Sache immer: Jerry Stiller ist das Baby. [1]
Teilweise gut gealtert
Schaut man „Kings of Queens” im Jahr 2021, stellt man fest: Für eine Serie der neunziger und nuller Jahre ist sie relativ gut gealtert ist, zumindest im Vergleich zu vielen anderen Sitcoms dieser Zeit, nicht zuletzt „How I Met Your Mother”. Es gibt aber eine große Ausnahme: Die queerfeindlichen Witze sind jenseits von Gut und Böse. Und natürlich ist „King of Queens“ im Laufe der neun Jahre auch in anderer Hinsicht mehrfach negativ im Umgang mit sensiblen Themen aufgefallen.
Andere Dinge jedoch funktionieren in der Serie gut. Und das mit einer erstaunlichen Leichtigkeit, als sei man sich der Themen damals nicht bewusst gewesen. Dass Arthur, Carries Vater, mit Doug und Carrie unter einem Dach lebt, ist eine (in heutiger Zeit alternative) Familienkonstellation, die über das klassische, heteronormative Konzept hinausgeht. Außerdem ist Doug übergewichtig; Body Issues werden im Laufe der gesamten neun Staffeln regelmäßig thematisiert, aber selten – außer in den Punchlines, die sich zum Ende der Folge aber auflösen – als Problem gezeigt. Die Genderrollen sind zudem teilweise umgekehrt. Was nicht infrage gestellt wird, ist die Tatsache, dass es immer Carrie ist, die für Doug und Arthur kocht. Doch sowohl in Alltagsfragen als auch bei grundlegenden Entscheidungen hat Carrie meistens das entscheidende Wort – und dafür genügt manchmal nur die hochgezogene Augenbraue.
Interessanter noch sind die Themenkomplexe Rassismus und Klassismus, die in „King of Queens“ immer mal wieder eine Rolle spielen. Dass Doug mit Deacon (Victor Williams) einen Schwarzen besten Freund und Carrie mit Kelly (Merrin Dungey), Deacons Ehefrau, eine Schwarze beste Freundin hat, macht die Serie fortschrittlicher als andere ihrer Generation. Das Thema Race wird zwar nur selten angeschnitten, dafür aber bereits in der ersten Staffel, also Anfang 1999. In der 18. Folge bekommt Doug eine zeitlich begrenzte Beförderung, obwohl Deacon der bessere Fahrer ist. Deacon macht ihn darauf aufmerksam, denn Doug ist sich dessen in keiner Weise bewusst. „What? You think this is a race thing?“, fragt er, und Deacon antwortet: „I don’t know. But whenever this kind of thing happens, it’s always in the back of my mind.”
Und Stichwort Beförderung: Doug und Carrie gehören zur Arbeiterschicht, er ist Paketzusteller, sie Sekretärin. Während Doug selten ein Problem mit seinem Job und der Stellunghat, versucht die ehrgeizigere Carrie öfter auf verschiedene Weise, dieser Rolle zu entfliehen, ob sie nun ins schicke Theater geht oder ob eine Abendschule besucht, um ihren Collegeabschluss nachzuholen. Während diese Bemühungen eher von kurzer Dauer sind, gab es für die Carrie-Darstellerin Leah Remini im echten Leben eine glückliche Nachricht: Ende Mai 2021 schrieb sie auf Instagram, dass sie, die aus einer Scientology-Familie kam, die nicht an Bildung glaubte, jetzt, im Alter von 50 Jahren, an der NYU studieren wird. „It took a lot for me to take this step, for fear that I was not smart enough, not worthy enough, not able to do the work that will be required, my age … I am ready to do the work and honestly, I’m scared shitless! And I am excited to start on my journey. It’s just never too late is it?”
„King of Queens“ und die K-Frage
Auch die Frage Kinder – ja oder nein? behandelt „King of Queens“ überraschend sensibel. In der ersten Staffel ist dies erst in der Finalfolge wirklich Thema. Auch hier sind die Rollen vertauscht: Carrie zögert, während Doug viel begeisterter ist von dem Gedanken. Carries größeres Ziel ist es, Karriere zu machen. Sie stimmt erst zu, als sie glaubt, sowieso keine Beförderung zu bekommen. Mehrfach sprechen sie über die Entscheidung zwischen Job und Baby, über allgemeine Zweifel, ändern ihre Meinung. In der allerletzten Szene der Staffel bittet Carrie Doug, doch noch zu warten, vielleicht ein Jahr.
Erst als sie in der dritten Staffel als Babysitter für die Kinder von Deacon und Kelly, die über Nacht verreist sind, einspringen, kommt das Thema wieder auf. Nach anfänglicher Panik machen sie sich erstaunlich gut in ihren Rollen als temporäre Eltern („I rock at this!“, sagt die wie immer kompetitive Carrie) – bis das ältere Kind die beiden beim Sex erwischt. Danach ist auch die K-Frage wieder vom Tisch, zumindest bis zum Staffelfinale.
Im zweiteiligen Staffelfinale „Pregnant Pause“, erstmals ausgestrahlt am 28. Mai 2001, wird Carrie ungewollt schwanger, nachdem sie und Doug nachlässig mit der Verhütung waren. In der ersten der beiden Folgen ist es Carrie, die sich große Sorgen um die Zukunft macht, vor allem hinsichtlich ihrer Finanzen. Als Doug von ihrer Schwangerschaft und ihren Ängsten erfährt, bemüht er sich nach Kräften, sie zu beruhigen und fordert Carrie auf, ihm mit einer Handgeste symbolisch die Last zu übertragen. Die Episode endet damit, dass Doug und Carrie sich umarmen – und auch Arthur, der zwei Jahre zuvor noch die Befürchtung hatte, ein Kind könne ihn ersetzen, freut sich.
Zu dieser symbolischen Last, die Doug geschultert hat, kommt im zweiten Teil des Finales auch die ganz banale, reale Last hinzu: Er nimmt fünf Nächte die Woche einen Zweitjob an und überlastet sich damit. Schließlich beschließen die angehenden Eltern, die Belastung zu teilen – somit bleibt auch genug Raum für beide, um sich auf das Kind zu freuen.
Aber so weit wird es nicht kommen: Carrie verliert das Kind. „I lost it“, sagt sie unter Tränen. „Are you okay?”, fragt ein geschockter Doug. „It’s funny, you know, the other day at the doctor, we were both in a good place about this for the first time, and now…” Carrie stockt, und sie und Doug umarmen sich weinend in Carries Arbeitszimmer, das das Kinderzimmer hätte werden sollen. Es ist eine sehr zarte, emotionale Szene, die das Ausmaß des Verlusts andeutet, und die zugleich zeigt, dass es in manchen Momenten einfach nichts zu sagen gibt und das Wichtigste ist, füreinander da zu sein.
Und doch: das stereotype Happy End
Auch wenn es überraschen mag, dass ausgerechnet „King of Queens“ das Thema Fehlgeburt nicht nur behandelt, sondern sogar sensibel behandelt, gibt es einige Beispiele, in denen sich Sitcoms an ernste Inhalte gewagt und diese gelungen umgesetzt haben. „King of Queens“ war eine der ersten Fernsehserien, die zeigen, was eine Fehlgeburt bedeuten kann. Trotz der Fehler, der Eintönigkeit und der Tatsache, dass sie kein Teil des Serienkanons, sondern in der Versenkung verschwunden ist, hat „King of Queens“ früher als viele andere Serien einiges ziemlich richtig gemacht.
Am Ende aber kann auch „King of Queens“ nicht dem klassischen Muster der Sitcoms ihrer Zeit entfliehen: Neun Jahre lang bleibt Arthur in dieser Kleinfamilie „das Kind“. Im Serienfinale aber adoptieren Doug und Carrie ein Kind aus China, weil sich im Laufe der vierten Staffel herausgestellt hat, dass die Wahrscheinlichkeit, ein leibliches Kind zu bekommen, sehr gering ist. Dann doch: Carrie ist schwanger. Und dieses Mal mit Happy End. Ein kurzer Blick in die Zukunft zeigt, dass Doug und Carrie – neben Arthur – in der Tat zwei Kinder haben.
[1] „Actually the studio never wanted us to do it. Because I think that, one – the audience perceives it as a life raft, a power pill that we’re going to take to try and get story ideas. You can’t disagree with that. And two – I think they felt that if you have a big thing happen to the Heffernan family then it kind of like dates the old shows as „pre-baby” and the new shows as „post-baby” and it kind of hurts syndication a little bit. And for us, the thing was always – Jerry Stiller is the baby.“