von Till Raether
Robert Habeck hat ein Vorwort zur Neuübersetzung von George Orwells 1984 geschrieben, und es ist nicht so gut geworden. Das ist einerseits nicht überraschend, denn Politiker schreiben selten gute Vorworte zu literarischen Werken. Andererseits ist es schade, denn Robert Habeck ist selbst Schriftsteller und promovierter Literaturwissenschaftler: „Als 31-Jähriger verteidigte er an der Universität Hamburg eine Dissertation mit dem Titel ‚Die Natur der Literatur: Zur gattungstheoretischen Begründung literarischer Ästhetizität‘. Erschienen ist sie 2001 in einer soliden literaturwissenschaftlichen Reihe“, bemerkte vor zwei Jahren anerkennend Die Zeit.
Wie nähert Habeck sich also Orwells Roman? Als Literaturwissenschaftler? Als Autor mehrerer Romane? Oder eben als grüner Spitzenpolitiker, der es geschafft hat, immer wieder mit dem Begriff Kanzlerkandidat in Verbindung gebracht zu werden? Gelingt ihm vielleicht sogar das Kunststück, diese Perspektiven zu vereinen? Und ist nicht gerade 1984 ein Buch, das endlich vor den ungeschlachten Vereinnahmungsversuchen der Antikommunist*innen, Überwachungsstaat-Mahner*innen und Querdenker*innen mit ihren ständigen Orwell-Bezügen in Schutz genommen werden müsste?
1984 ist ein Roman, der gern als politische Parabel heranzitiert und dann literarisch nicht ernst genommen wird. Das war 1949 so, als der Roman bei seinem ersten Erscheinen dermaßen einmütig als düstere Zukunftsvision links regierte…