Sie macht wohl Witze? – Über komische Frauen in der Popkultur

von Nele Sawallisch und Wieland Schwanebeck

Wenn Akademiker auf besonders akademische Art frauenfeindlich sein wollen, verkleiden sie sich manchmal als Anthropologen. Christopher Hitchens zum Beispiel – ein heller Kopf, enorm belesen und keiner polemischen Diskussion abgeneigt – denkt im Jahr 2007 in der Zeitschrift Vanity Fair, für die er auch schon Rezensionen und geistreiche Essays verfasst hat, über komische Frauen nach. Er kommt dabei zu, sagen wir mal, eigenwilligen Schlussfolgerungen. Männer, so Hitchens, hätten sich im Verlauf der Evolution eine Art Comedy-Gen antrainiert, um Frauen zu beeindrucken. Die von Natur aus attraktiven Frauen dagegen hätten es nie nötig gehabt, Männer von sich zu überzeugen. Deswegen hätten sie auch niemals eine Komikbegabung entwickeln müssen, weder die akrobatischen Verrenkungen des Slapsticks noch die intellektuelle Doppelbödigkeit des Witzes. Schließlich, so Hitchens, müssten sie ihre ganze Energie ihrer höheren Berufung widmen, nämlich dem Gebären, und das sei nun mal keine komische Angelegenheit. Auf ebenso absurde Weise und mit ähnlich pseudo-biologischen Untertönen, kommt eine berühmte Äußerung von Jerry Lewis daher, überliefert aus einem moderierten Gespräch im Jahr 2000: Mit komödiantischen Frauen habe er ein Problem, schließlich seien die ja eher Gebärmaschinen („a producing machine that brings babies in the world“).

Schwer zu sagen, was zuerst da war: die Ansicht, Frauen könnten nicht lustig sein, oder die von Männern dominierte Comedy-Szene. Beides dient als dürre Erklärung für das jeweils andere. Im 17. Jahrhundert behauptet sich die Dramatikerin Aphra Behn mit ihren Stücken tapfer auf den Spielplänen der Londoner Theater, wohlwissend, dass die Kritiker über jede derbe Pointe in ihren Komödien die Nase rümpfen, dieselben Gags aber mit Schenkelklopfen goutieren, wenn sie von männlichen Autoren angeboten werden. Noch heute übertreffen sich rechte Kommentatoren und YouTuber gegenseitig darin, weibliche Comedians demonstrativ unlustig zu finden. Sie filmen sich selbst dabei, wie sie mit versteinerter Miene einem Standup-Set von Amy Schumer oder einem Late-Night-Monolog von Lilly Singh folgen. Sie schreiben damit eine Tradition fort, die aus der (vermeintlichen) Abwesenheit von Frauen im Kanon der Humorschaffenden auf deren natürlichen Mangel an komischem Talent schließt. Dabei stützen sie sich auf eine imposante Zahl respektabler Gewährsmänner. Die großen Theorien der Komik und des (Ver-)Lachens sind mit Namen wie Aristoteles, Thomas Hobbes oder Sigmund Freud verknüpft. Sie alle gehen stillschweigend von einem weißen männlichen Subjekt aus, auf das die Welt zu beziehen sei, und man weiß nicht so recht, was schlimmer sein soll – mansplaining, adressiert an vermeintlich schlecht informierte Frauen, oder männliches Erklärgehabe, das exklusiv unter Männern bleibt, weil Frauen gar nicht erst zum Gespräch zugelassen werden.

Hobbes warnt vor der hässlichen Fratze des garstig Verlachenden und nimmt dabei eine Machtposition an, die Frauen zu seiner Zeit ohnehin kaum innehatten – um andere wegen ihres fehlenden sozialen Kapitals herabzusetzen, braucht man erstmal selbst welches. Freud flankiert seine Überlegungen zum Witz mit Kastrationsängsten und anderen männlichen Komplexen, fokussiert sich also ebenfalls ausschließlich auf den Mann. Wenn Frauen mal für Gelächter sorgen, dann unfreiwillig, etwa in dem von Freud in der Psychopathologie des Alltagslebens (1904) zitierten Beispiel für die berühmte Freud’sche Fehlleistung. Eine junge Dame sorgt hier für Erheiterung, als sie in Gesellschaft die Vermutung äußert, ein Mann brauche nur „seine fünf geraden Glieder“, um zu gefallen. 

Frauen, die sich der Pauschaldiagnose der Humorlosigkeit widersetzten, wurden lange Zeit mit einem besonders garstigen Argument verunglimpft. Sie seien wahrscheinlich gar keine richtigen Frauen, sondern Hysterikerinnen oder aggressive Mannweiber. Noch heute kommt es einem Tabubruch gleich, wenn Frauen aufs Feld der Zote oder gar des Pipikacka-Humors vordringen. Die Gruppe herausgeputzter Brautjungfern, die sich im Film Brautalarm (2011) nach einem Restaurantbesuch auf dem Kundenklo des Brautmodengeschäfts die Seele aus dem Leib kotzt und kackt, drückt nicht nur den eigenen Darminhalt, sondern auch so manches Klischee über diskrete und klinisch saubere Weiblichkeit in die Schüssel. Der Soziologe Gregor Balke hat mit Poop Feminism (2020) eine geistreiche, mit vielen Beispielen unterfütterte Kulturgeschichte der weiblichen Fäkalkomik vorgelegt, die diesen Tabubruch als Geste der Selbstermächtigung deutet.

Das Feuilleton nimmt solche Zäsuren aufmerksam zur Kenntnis, feiert sie – im Fall von Brautalarm möglicherweise etwas zu einseitig – als Sternstunden der feministischen Komik und veröffentlicht Loblieder auf die zeitgenössische Comedy-Avantgarde. Hannah Gadsby, die in ihrem Programm Nanette (2018) das gesamte Standup-Format dekonstruiert, zählt ebenso dazu wie Tig Notaro, die in ihrer Show Boyish Girl Interrupted (2016) nach ihrer Krebserkrankung dem Publikum ihren Körper ohne Brüste präsentiert  und das Unbehagen im Saal spürbar auskostet.

Es sind überfällige Triumphe queerer Frauen, nachdem sich der Feminismus lange Zeit schwergetan hat, Witz und Ironie in sein rhetorisches Arsenal aufzunehmen. Ernstgemeinte politische Forderungen, so lautete die Befürchtung, könnten durch die Doppelbödigkeit des Witzes genauso aufgeweicht werden wie die kämpferische Haltung durch Ironie. Trotz der Furcht vor dem Stigma der vermeintlichen feministischen „Spaßbremse“ betont etwa Sara Ahmed, dass Humor ein wichtiges Instrument sein kann: „Wenn man etwas verlacht, kann man es greifbarer machen, überhöhen und ihm dabei zugleich seine Übermacht nehmen“ (Übersetzung durch die Verf.). Lachen und Gelächter tragen also zur Selbstermächtigung bei und sind damit Überlebensstrategien.

Dennoch ist es wichtig, weibliche Komik nicht mit feministischer Komik gleichzusetzen. Virginia Woolf ruft Aphra Behn in ihrem Buch Ein Zimmer für sich allein (1929) vor allem deshalb zum Vorbild für alle schreibenden Frauen aus, weil Behn von ihrer Arbeit leben konnte, nicht weil ihr Humor progressiver als der ihrer Zeitgenossen gewesen wäre – in ihrem berühmtesten Stück, The Rover, wird sogar auf Kosten vergewaltigter Frauen gescherzt. Wo Frauen sich das Recht erstritten haben, in den Sitcom-Schreibstuben, in den Redaktionen der Satiremagazine und an den Mikrofonen der Comedy-Clubs zu bestehen, da haben sie sich auch das Recht erstritten, genauso misogyn, reaktionär und einfallslos zu scherzen wie die erfolgreichsten männlichen Kollegen aus der „Kennste? Kennste?“-Schule des faulen Vorurteils.

Mangel an Diversität ist letztlich ein Phänomen, an dem weibliche Comedy genauso krankt wie männliche. In den letzten 20 Jahren ging der Emmy für die beste Comedy-Serie zwar häufig an Serien mit starken weiblichen Hauptfiguren bzw. mit paritätisch besetzten Ensembles, aber die Protagonistinnen in Sex and the City (1998-2004), 30 Rock (2006-2013), Veep (2012-2019), Fleabag (2016-2019) und The Marvelous Mrs. Maisel (2017-2023) sind allesamt weiße, heterosexuelle Frauen, die von ökonomischen Sorgen weitgehend verschont bleiben. Mit ihrem Erfolg haben die Stars und weiblichen Showrunner allerdings auch Türen für Kolleginnen wie Margaret Cho, Flame Monroe und Tiffany Haddish geöffnet. Diese bespielen mittlerweile erfolgreich große Bühnen einer Comedy-Szene, die sich im Zuge der #MeToo-Enthüllungen nachhaltig verändert hat.

Regina Barreca, die bereits vor knapp 30 Jahren eine umfangreiche Anthologie weiblichen Humors herausgegeben hat (The Penguin Book of Women’s Humor, 1996), weist zurecht darauf hin, dass Frauen genauso wenig in den 90ern auf einmal komisch geworden sind, wie sie in den 70ern ,über Nacht‘ beruflichen Ehrgeiz, in den 60ern ein sexuelles Bewusstsein oder Ende des 19. Jahrhunderts die Fähigkeit zum Denken entwickelt hätten. Was die gründliche Erschließung und Würdigung weiblicher Comedy-Geschichte angeht, stehen wir noch ziemlich am Anfang. Dass diese Geschichte zur Not auch als freche Schelmengeschichte im Mockumentary-Stil geschrieben werden kann, belegt die kürzlich von Elias Hauck herausgegebene Biographie der Ricarda Willimann (Wer war ich?, 2022). Ihr werden unter anderem die Verantwortung für die erfolgreichsten US-Late-Night-Formate und die Urheberschaft zahlreicher Loriot-Sketche zugeschrieben.

Ebenfalls leider nur fiktional ist die Geschichte der Marvelous Mrs. Maisel, der kürzlich beendeten, bombastisch ausgestatteten und mit viel Verve dargebotenen Serie über eine Pionierin der Standup-Komik, die sich über fünf Staffeln von männlichen Kollegen über den Mund fahren, belehren und an den Rand drängen lassen muss, ehe sie doch noch zum Star wird. Die Erfolgsgeschichte des von Rachel Brosnahan umwerfend gespielten Naturtalents, das sich aus der Umklammerung durch den vergötterten Papa, den Ehemann und die Kinder befreit, um auf der Bühne das Establishment mit Peniswitzen zu provozieren, ist eine ahistorische, wenn auch sympathische Wunscherfüllungsfantasie, die die Anfänge der weiblichen Standup-Kunst in den USA noch einmal zum Leben erweckt und dabei mit realen Pionierinnen der Comedy-Geschichte spielt. Einmal läuft Miriam Maisel etwa Jackie „Moms“ Mabley über den Weg, einer Ikone der afroamerikanischen Comedy-Geschichte, die, gemessen an ihrer langen und einflussreichen Bühnenpräsenz, noch mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte. Eher im Off bleibt dagegen Elaine May, von deren Werdegang sich die Serie viel abgeschaut hat und die bis vor wenigen Jahren in Vergessenheit zu geraten drohte. May hatte Anfang der 60er als Sketchpartnerin von Mike Nichols für Furore gesorgt und führte in den 70ern als einzige Frau Regie bei mehreren größeren Hollywood-Produktionen. Nach dem legendären Flop Ishtar (1987) wurde sie aber zum bestgehüteten Geheimnis der Branche und verlegte sich darauf, ohne Nennung im Vorspann Drehbücher aufzupolieren.

Es gilt noch manche solcher Werdegänge wiederzuentdecken, worin eine Chance und auch ein Fluch liegen mag. Die ikonische Überhöhung von Pionierinnen wie „Moms“ Mabley verspricht Strahlkraft und Vorbildwirkung, aber sie erhöht natürlich auch den Druck auf die Nachfolgerinnen. Der vom Brautalarm-Team aus der Taufe gehobene Neuaufguss der Ghostbusters (2016), der im Netz schon vor dem Kinostart unbarmherzig getrollt wurde, zeigt, dass Frauen längst noch nicht das Recht zugestanden wird, von dem Adam Sandler oder Eddie Murphy seit Jahrzehnten Gebrauch machen – 100 Millionen Dollar für allenfalls passable Comedy-Blockbuster zu verpulvern, die leidlich unterhalten, im Anschluss aber sofort wieder vergessen sind. Solange solche Großproduktionen Risiko-Investitionen darstellen, werden weibliche Comedians in etablierten Franchises eher als homöopathisch verabreichte Verjüngungskur toleriert. Phoebe Waller-Bridge durfte am Drehbuch des James-Bond-Requiems Keine Zeit zu sterben (2021) mitschreiben und zuletzt die müden Knochen von Indiana Jones vor sich hertreiben; mit ähnlichen Kurzauftritten haben auch Kate McKinnon, Audrey Plaza oder Tiffany Haddish aufhorchen lassen.Wer sich schon von solchen Cameos abwendet, der wird sich nicht zum Einfallsreichtum der ,funny women‘ bekehren lassen, denen die Zukunft gehört. Er wird auch nicht der schallend lachenden Roseanne Barr ins Gesicht schauen können, die über zehn Staffeln den Vorspann der nach ihr benannten Serie beschloss. Ihr Beispiel könnte Hélène Cixous im Sinn gehabt haben, als sie in den 1970er-Jahren in einem Essay das Gelächter der Medusa beschwor, vor dem viele zurückschrecken. Cixous ermutigt uns, der lachenden Medusa ins Gesicht zu schauen – sie kann uns einiges über uns selbst beibringen.

Foto von Tim Mossholder auf Unsplash

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