von Franziska Reuter
Natürlich sind deine Freund:innen blitzgescheit und unterhaltsam, keine Frage. Oder zumindest dachtest du das, bis sie diesen Newsletter über peruanische Nackthunde gelauncht haben, den du aus Solidarität abonniert hast. Jetzt kommt jede Woche eine neue Ausgabe. Dir dämmert allmählich, dass du eher ein Katzenmensch bist. Und der Newsletter wiederholt regelmäßig die Bitte, ihn auf Social Media weiterzuempfehlen. Weil du weißt, dass die Ersteller:in die Öffnungsrate des Newsletters sehen kann, öffnest du ihn immer kurz, um ihn dann mit schlechtem Gewissen zu löschen.
Vielleicht ist so etwas gemeint, wenn Leute klagen, Freundschaften wären im digitalen Zeitalter schwieriger geworden? Zumindest in den sozialen Medien ist Aufmerksamkeit eine Ressource, die knapper ist, als viele es sich eingestehen wollen. Selbst wer seine Freund:innen beim Streben danach unterstützen will, muss hier und da eine Grenze ziehen. Zumal, wenn die Interessen auseinanderklaffen – wie im Fall der peruanischen Nackthunde.
Dabei ist es normal und richtig, wenn unsere Freund:innen Unterstützung erwarten, auch auf Social Media. Die Frage ist, wie diese Unterstützung aussieht. Reicht ein Like? Soll es ein Repost sein? Ein eigener Post? Manche Menschen kuratieren ihre Accounts so liebevoll und wohlüberlegt, dass sie jedes Posting schmerzt, das nicht genau in ihre Linie passt. Wer sich auf Social Media ausschließlich mit Pflanzen beschäftigt, wird dort wahrscheinlich nicht verkünden, dass ein guter Freund gerade ein Buch über Panzer im Wandel der Zeit veröffentlicht hat. Und das ist völlig in Ordnung. Freundschaft und Unterstützung bedeuten nicht automatisch, dass man Werbung für alles mögliche machen muss.
Andere posten und reposten selbst so viel und so wild durcheinander, dass für Panzer und Pfingstrosen gleichermaßen Platz ist. Bei ihnen ist die Bereitschaft höher, auch noch das Weihnachtsvideo des Schulchores der Nichte eines Freundes zu teilen. Ist das reizend? Ja. Darf man es erwarten? Auf keinen Fall.
Die Faustregel für alle Aktivitäten sollte sein: Es muss sich auch ohne die Unterstützung von Freund:innen lohnen. Wenn also 100 Fremde den Nackthund-Newsletter abonniert haben und das der Verfasser:in genügt, prima. Wenn 50 Freund:innen und 10 Fremde ihn abonniert haben und die Verfasser:in permanent unzufrieden ist mit dieser Anzahl, halten nur die Freund:innen ihn am Leben – und das in unserem Beispiel nicht aus Interesse, sondern aus latent schlechtem Gewissen. Gleichzeitig fühlen sie sich in dieser Situation oft gefangen, weil sie nicht auch noch abbestellen wollen, wenn die Zahlen ohnehin schon so niedrig sind.
Das lässt nur zwei Empfehlungen zu. Erstens: Egal wie gut ihr befreundet seid, überlegt euch sehr, sehr gut, ob ihr den Newsletter abonnieren oder dem Nackthunde-Account folgen wollt. Ihr könnt stummschalten, aber ihr kommt nie wieder so richtig raus. Zweitens, und dieser Rat richtet sich an die Gegenseite: Wenn eine Aktivität, die sich eigentlich an eine breitere Öffentlichkeit richtet, zu 80 Prozent von Freunden unterstützt wird, dann seid zufrieden mit den 20 Prozent, macht es nur für euch selbst oder lasst es bleiben.
Das fängt im Kleinen an. Zu den großen menschlichen Rätseln auf Twitter gehören für mich die “Ich wünsche mir so sehr x Follower:innen”-Tweets. Sie richten sich an die, die ohnehin schon folgen, und bitten sie, mehr Leute zu animieren. Einerseits ist der Vorgang nicht ungewöhnlich, andererseits stellen sich doch Fragen: Wozu willst du mehr Follower:innen? Und warum soll ich sie dir beschaffen? Was spricht gegen organisches Wachstum? Und was hast du dann vor? “Ich wünsche mir x Follower:innen” ist so viel inhaltsleerer als ein schlichtes “Hallo, ich bin der Mike und interessiere mich für Batik und Mountainbikes, würde mich freuen, hier ein paar Gleichgesinnte zu finden”. Niemand sollte sich verpflichtet fühlen, so etwas zu retweeten.
Das Phänomen setzt sich fort in den DMs. Es gibt tatsächlich Menschen, die etwa ein Panzer-Buch veröffentlicht haben und danach private Nachrichten schreiben mit der Bitte, das zu promoten. Auch an Leute, die nur mit sehr viel Fantasie als Freund:innen zu bezeichnen sind. Sollte jemand, der das hier liest, so etwas für akzeptables Benehmen halten: Du liegst falsch. Lass es bleiben.
Das bringt uns zur Masterclass: Geld. Geld und Freundschaft werden völlig zu recht traditionell auseinander gehalten, und dass es manchmal keine Probleme gibt, wenn man sie vermischt, darf keine Ermunterung sein, es zu tun. In meinem Bekanntenkreis gibt es Menschen, die sich am Crowdfunding für die künstlerischen oder publizistischen Aktivitäten von Freund:innen beteiligen und damit sehr gerne aufhören würden, wenn sie wüssten, wie sie das kommunizieren sollen.
Diese Situation muss man von vornherein vermeiden. Denn es ist nun mal so: Wenn ich ein Steady-Abo für den Nackthunde-Newsletter abschließe und jeden Monat 2 Euro dafür zahle, meine ich das vielleicht als nette Starthilfe für ein Jahr. Aber die Verfasser:in denkt womöglich: Ach guck, die ist auch Nackthundefan! Und wenn ich ein Jahr später kündige, führt sie das nicht auf mein generelles Desinteresse gegenüber Nackthunden zurück, sondern denkt, ihr Newsletter gefällt mir nicht.
Natürlich haben wir alle Freund:innen, die absolut cool sind in solchen Situationen und von sich aus sagen: “Hey, es ist nett, dass du das Abo abgeschlossen hast, aber kündige das ruhig, von Freund:innen nehme ich doch kein Geld dafür.” Aber wegen dieser Freund:innen, selbst wenn sie die erfreuliche Mehrheit bilden, liest ja niemand diesen Text. Es gibt eben auch die anderen.
Deshalb lautet die dringendste Empfehlung für solche Situationen, sich gar nicht erst hinein zu begeben. Auf direkte Aufforderungen, unentgeltlich Werbung für jemanden zu machen, muss man meiner Meinung nach nicht mal antworten. Da gilt die Faustregel: “Wenn du nichts Nettes zu sagen hast, schweig.” Man kann seine Freund:innen übrigens auch unterstützen, indem man ihnen freundliche Nachrichten schreibt und zu ihren Aktivitäten gratuliert – ihr wisst schon, so wie vor Social Media.
Wenn man aber nun schon mal in einer solchen Situation drin steckt, würde ich raten, offensiv damit umzugehen. Indem man zum Beispiel schreibt: “Ich freue mich, dass es gut läuft mit den Nackthunden. Du brauchst meine Starthilfe offensichtlich nicht mehr, aber ich bin stolz, deinen Aufstieg verfolgt zu haben!” Notfalls ein freundliches Emoji dran. Und dann kündigen.
Foto von Ryan ‚O‘ Niel auf Unsplash