Sibylla Schwarz, die am 14. Februar 1621 geboren wurde, feiert an diesem Tag ihren 400. Geburtstag. Das Werk der Dichterin, die auch „pommersche Sappho“ genannt wurde, ist vielfältig, inspirierend und von der Literaturgeschichtsschreibung nicht ansatzweise ausreichend gewürdigt. Im Jahr 1638 verstarb die Barocklyrikerin im Alter von nur 17 Jahren. Sie hatte ihr ganzes Leben in den Wirren des 30jährigen Krieges verbracht. Nach ihrem Tod veröffentlichte ihr Hauslehrer Samuel Gerlach ihre Gedichte.
Anlässlich des Jubiläumsjahres geben Dirk Uwe Hansen und Berit Glanz eine Anthologie mit dem Titel „… und bey den Liechten Sternen stehen. Gedichte zu Sibylla Schwarz‘ 400. Geburtstag“ heraus, die im Mai im Reinecke & Voß Verlag erscheinen wird. Dort ist in diesem Jahr auch der erste Band der kritischen Ausgabe von Sibylla Schwarz‘ Werk erschienen.
Für die Anthologie haben mehr als 60 Dichterinnen und Dichter Sibylla Schwarz gelesen und auf ihre Texte reagiert: Mit Montagen, erasure-Gedichten, Um- und Fortschreibungen, Antworten und Gedichten, die den Dialog mit ihr suchen. Die dabei entstandene Sammlung zeigt, dass Sibylla Schwarz dem Schweigen der Literaturgeschichtsschreibung zum Trotz höchst lebendig ist.
Zum 400. Geburtstag veröffentlichen wir ein Gedicht von Sibylla Schwarz und zwei Gedichte aus der Anthologie, die Bezug auf ihr Werk nehmen.
Sibylla Schwarz
Hier hab ich nun mein sehnliches Verlangen:
Hier liegt mein Lieb/ hier liegt mein ander ich:
Hier giebt das Glück sich selbst gefangen mich:
Hier mag ich nun mein Lieb vielmahl umfangen.
Hier mag ich nun auch küssen seine Wangen:
Cupido hört mein Klagen inniglich/
Und will nun auch so hülffreich zeigen sich;
Nun mag ich wohl mit meinem Glücke prangen.
Die Venus zeigt mir iezt ein guhtes Ziel/
Ich will nur selbst/ nicht was ich gerne will;
O Blödigkeit/ du must nur von mir weichen!
Weil du hir bist/ wärt meine grosse Pein;
Wer lieben will/ mus nicht so blöde seyn/
Sonst kann er nicht der Liebe Lohn erreichen.
Slata Roschal
O wohl dem / der nicht weiß / wo Grimm´ und Greifswald ist!
Es lässt sich gegenständlich leben
Lavendelbüsche und Hortensien in Töpfen
Alljährlich Stutzen und Beschneiden
Sandkasten mit immergrünem Sand
Hier wird der Gang porös auf weichgeschabten Fersen
Kommst du nicht weit zieh Stiefel an
Nimm eine Leiter hol ein Seil begrab die Äpfel
Die Post besteht aus leeren Abschiedszetteln
Hinter den Toren schreit ein Hahn
Das einzige Vergnügen das uns zusteht
Etwas zwischen den Rippen pulsieren zu hören
Bei Tisch halten wir uns an den Händen singen ein Mantra
Morgen wird alles besser
Lara Rüter
will in den wald und mit dianen jagen
übern brüsten fell von feinden tragen, gras am boden
bürstet den bogen. diana chillt im pool, verhext den spiegel.
ihre nymphe sein, cool. ich bin nur ich. mir fehlt der rand
an meiner hemmungslosen weiblichkeit, doch wie viele
brüste stützen mich. wie nackt das eigne auge blickt
auf einen embryo, der hinterm nabel zwickt. auf fretow’s rosen
toll, aus ihrem rot entrollt sich das theaterstück. krieg. trolle.
göttinnen und mama, die weint um mich. ist lieben keusch? —
wie sterben. zurück, wohin ich flieh. nicht zum friedhof
wo ich brav sein wollte zu soldaten. in leisem glück ein netzlein
stricken, ehekeusch. oh, love, no. lacht mir ins maul, diana
dabei will ich doch auf schlangen schlafen, basilisken reiten, ja
faul und matt in den wald geworfen. bin bäume, bogen, fell.
bin hirsch, bin hund, bin wind, bin zahn, bin blind, bin spannerin
bin meine beute, jägerin, bin wind, bin wind, bin wind, bin wind
zu Sibylla Schwarz’ 400. Geburtstag
Photo by Jeremy Thomas