Du bist hier – Erzählung

von Lucia Hemker

Betreff: Open Call #7

Liebes [ ]-Team!

Anbei ein Text für euren Open Call zur siebten Ausgabe!

Viel Spaß beim Lesen, vielleicht wirds ja was mit uns. 🙂

Liebe Grüße,

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Betreff: Open Call #8

Liebes [ ]- Team,

Anbei ein Text für euren Open Call zur achten Ausgabe!

Viel Spaß beim Lesen, vielleicht wird das ja was mit uns. 🙂

Liebe Grüße,

[ ]

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Betreff: Open Call #9

Liebes [ ]- Team!

Anbei ein Text für euren Open Call zur neunten Ausgabe!

Für diesen Text ist es wichtig zu wissen, dass es mein Lebenswerk ist, und alles daran wahr.

Liebe Grüße,

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Betreff: Open Call #10: JUBILÄUM!

Liebstes [ ]- Team!

Unglaublich, dass Ihr es schon zu eurer zehnten Ausgabe geschafft habt! Aus vollem Herzen: GLÜCKWUNSCH, GLÜCKWUNSCH, GLÜCKWUNSCH!

Ich muss ganz ehrlich sagen, Ihr seid mir echt die Liebsten, jede Ausgabe übertrifft die letzte, bei Euch stimmt es einfach, Text Design Auftritt, wirklich ein Gesamtkunstwerk, das [ ]! Niemandem sonst würde ich es so gönnen, wie Euch.

Wie jedes Mal versuche ich mich wieder an einem Text für die nächste Ausgabe, und ich habe den Eindruck, mit jedem Mal fällt es mir schwerer. Auch jetzt hänge ich noch immer an den letzten Worten des letzten Texts der:des letzten glücklichen Autor:in der 9. Ausgabe, es lässt mich kaum los, schon seit Tagen nicht. Es ist, als wäre etwas sehr sehr sehr sehr sehr sehr sehr Schweres damit gekommen, was sich irgendwie auf meine Brust gesetzt hat und sich nicht davon wegbewegen mag, so parasitär, so blutsaugend, energiesaugend, klebt auf jeden Fall da fest. Chapeau!

Jetzt sitze ich und schreibe Euch aus einem Café, einem solchen, in dem alle sitzen und schreiben. Vielleicht auch Euch? Dieser Gedanke erhöht dieses Gefühl erhöht den Druck verlangsamt meine Überarbeitung meines potentiellen Beitrags. Besser, ich werde bald fertig, damit ich nicht einer der letzten Texte werde, die Ihr so durchschauen müsst, die allesamt in diese großen Fußstapfen treten wollen. Falls ich also hier und dort ein bisschen zittere: Bitte Nachsicht! Es tut mir leid. Es tut mir wirklich, aufrichtig leid. Vielen Dank.

… und dann, vielleicht wirklich: meine Worte neben all diesem Talent – nein, das darf man sich gar nicht ausmalen…

Herzlichst,

[ ]

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Betreff: Open Call #12

Liebes [ ]- Team,

Euer diesjähriger Open Call erreichte mich in einem seltsamen Zustand.

Open Call?, dachte ich mir.

Schon wieder?

War nicht zuletzt erst?

Ich schaute also nach, wann ich euch zuletzt mailte, und musste feststellen, dass es länger her war, als ich gedacht – war so viel Zeit vergangen? Was war damit geschehen?

Zwei Ausgaben habt ihr herausgebracht in dieser Zeit, zwanzig andere Autor:innen beglückt und lektoriert und korrigiert und veröffentlicht, zwei Vorwörter geschrieben, zwei Ausgaben finanziert, eine Millionen Förderungen beantragt und anderthalb bekommen, vier Grafiker:innen beauftragt für insgesamt 200 Euro dreihundert Seiten zu setzen und sieben Cover zu gestalten von denen zwei finalisiert wurden, sechs Lesungen habt ihr veranstaltet an 3 immergleichen Orten mit 40 immergleichen Zuhörer:innen und trotzdem, irgendwie, irgendwie auf eine seltsame unerwartete mich ganz und gar überraschende Art und Weise habe ich überhaupt nichts davon mitbekommen, dabei gibt es euch doch inzwischen sogar in ausgewählten Bahnhofsbuchläden.

Wie kann das sein?

Anbei mein Text. Vielleicht wird das ja was mit uns. 🙂

Liebe Grüße,

[ ]

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Betreff: Open Call #13

Guten abend allerseits

hier mal wieder eine kleine geschichte für euc ohne tiefe oder witz oder rlevanz oder was auch immer euer scheissproblem damit sein wird diesanml aber ich bin mir sicher ihr gebt allen eine faire chance oder nicht? Das ist doch euer ding ihr dummen arschlöcher

hochachtungsbvloo

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Betreff: Open Call #14

Liebes [ ]- Team,

Anbei ein Text für euren Open Call zur vierzehnten Ausgabe.

Freundliche Grüße,

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Betreff: Open Call #15

Hallo liebes [ ]- Team, hallo liebes Teammitglied, das diese Mail hier liest,

Wie geht es dir eigentlich?

Ich habe auf Instagram gesehen, dass ihr Probleme mit der Finanzierung habt – beim Crowdfunding habe ich ein paar Euros geschickt, nicht besonders viel und nicht der Rede wert, was ich nun mal hatte und geben konnte, ohne es zu vermissen, das ist nicht viel, aber wem erzähle ich das schon?

Seither stelle ich mir vor, wie es wäre, unendlich viel Geld zu haben. Ich würde gerne behaupten, dass ich all mein Geld nur in unabhängige Literaturmagazine, in die Unterstützung freier Kunst geben würde. Aber vielleicht ist das gelogen. Vielleicht wäre es vergleichbar damit, unsterblich zu sein. Du und ich, wir machen uns sicher beide gerne vor, dass wir, ohne dass der Tod hinter jeder Ecke lauern könnte, alles lernen und lesen und machen würden, was es gibt – diese unüberschaubare Menge an Wissen und Gedanken und Kunst in uns aufnehmen würden, die die Menschheit ausmacht, dass wir das gerade nur aus dem Grund nicht jetzt schon tun, dass wir uns um unser pures Überleben kümmern müssen. Aber wir lügen uns an. Ich würde das gleiche tun, was ich an einem Sonntag tue. Liegen und scrollen. Scrollen und liegen.

Wie sieht dein Sonntag aus?

Wäre ich reich, ich würde nur noch Blockbuster anschauen. Ich würde das Lesen verlernen, mit Absicht. Wenn jemand sich über mich lustig machen wollen würde, dann würde ich sagen: Aber ich bin reich, und du bist arm. Wenn das mein Traum ist, was mache ich dann hier? Wer wäre ich in einem Vakuum?

Gewissermaßen fühle ich mich vakuumiert in Hinblick auf meine Texte. Nichts kommt rein. Nichts kommt raus. Ich hatte zuletzt einen Albtraum, ich wäre dieser Wal, die die einzig überlebende ihrer Art ist und in irgendsoeinem Gewässer also nun alleine hin und her schwimmt, und ihr Lied singt, ein Balzlied, auf das jemand einsteigen müsste, aber alle sind tot. Das raubte mir meinen Walverstand, ich war sehr unruhig und fiepte herum. In meinem Albtraum versuchte man, mich in den Schlaf zu wiegen mit Walgesängen anderer Wale, mit denen ich mich nie paaren können würde. Ich wachte schweißgebadet auf und in einer Blutlache (nicht schwanger).

Davor träumte ich davon, ein Kaninchen zu sein. In einem klischeebehafteten Ritual (ich kann nichts dafür – das war mein Traum) tanzte ich um ein Feuer bei Nacht und machte die Laute, die nun mal herauskommen können aus so einem Kaninchenkörper. Das Ganze funktionierte wie von meinen Kaninchen-Ich intendiert, und ich beschwor einen großen Hund herauf, der mich, kaum war er aufgetaucht, unmittelbar verschlang. Ich wachte auf in einem (mir unergründlichen) hochgradig erregten Zustand. Ja, erregt in dem Sinne. Genug aber davon, ich will nicht mein Pulver verschießen für den nächsten Open Call.

Manchmal, wenn ich in Situationen feststecke, die endlos erscheinen, kriege ich Angst, dass ich tatsächlich gestorben und in der Vorhölle gelandet bin. Wenn ich im leeren Regionalzug von Chemnitz nach Leipzig fahre, und es draußen schon dunkel ist (auf der Strecke gibt es keine einzige Lichtquelle). Wenn ich sehr spät aus der Bibliothek gehe, weil zuhause nichts wartet (man muss mutterseelenallein an Jahreszahlen 1970 bis jetzt vorbeigehen, das ist alles an Zeit, was ich mir vorstellen kann). Wenn ich in einem Wartezimmer warte (es muss eigentlich so sein, dass Wartezimmer und Vorhölle sich in irgendeiner Sprache ein Wort teilen müssen). Wenn etwas in der Mikrowelle ist.

Nach einigem googlen stellt sich heraus, dass das überhaupt nicht die Vorhölle ist, was ich da meine. Das ist schade, jetzt ist da nichts mehr. Ich glaube an kein anderes Leben nach dem Tod, und alleine an etwas zu glauben ohne den Rückhalt von einer Community fühlt sich zu wahnsinnig an. Ich werde gleich weiter googlen und mir was Neues suchen, mit dem ich mich beschäftigen kann, und dann allen erzählen, dass es natürlich Quatsch ist, total unrealistisch, ich meine das auch jetzt nicht ernst, aber nur mal angenommen, dass. Das ist meine Art, etwas absolut ernsthaft zu glauben oder zu hoffen oder mein Leben danach auszurichten, nur macht man immer mal wieder einen kleinen Witz darüber, was man da tut, um hinterher abstreiten zu können, dass es einem je am Herzen lag. I’m in on the joke! Es war immer aussichtlos. Alles war ironisch. Wir lachen beide, ich vielleicht mehr. HAHAHA!

Meine Vorhölle wäre gewesen: Du bist hier, und zwar für immer. Es gibt kein dort. Es gibt kein vorher, kein nachher, kein oben, kein unten und nichts wird jemals passieren. In den ersten Momenten wirst du über die ersten Momente als erste Momente nachdenken, aber irgendwann sicher nicht mehr, weil es so viele gibt, dass die Unterteilung ihren Sinn verliert.

Anbei, wie immer, ein Text für euren Open Call zur nächsten Ausgabe.

Viel Spaß beim Lesen, vielleicht wird das ja was mit uns.

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Lucia Hemker hat Literarisches Schreiben am DLL in Leipzig studiert. Jetzt wohnt und schreibt sie in Münster, wo sie gerade eine Lesebühne (genauer: die Zerlesebühne) gründet.

Foto von Richard Sagredo auf Unsplash

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