Die Welt der Popmusik ist ein üppiger Garten, in dem schon so manches Obst geerntet wurde. Die Beatles besangen die Mehrdeutigkeit von Erdbeerfeldern, Harry Nilsson erfand einen Song über eine Kokosnuss und die deutsche Band Fool’s Garden ließ in den Neunzigern ihr lyrisches Ich traurig um einen Zitronenbaum tanzen. Alle Früchte, die danach noch übrig waren, hat in den vergangenen Jahren ein junger Sänger namens Harry Styles gepflückt, in eine große Schüssel geworfen und zu einem zuckersüßen Salat vermischt. Popfans laben sich an dieser Musik wie die olympischen Götter an der Wunderspeise Ambrosia, denn Songs wie „Grapejuice“ und „Watermelon Sugar“ sind nicht nur appetit-, sondern auch fantasieanregend. Kiwis, Kirschen, Trauben und Wassermelonen stehen darin als vielseitige Metaphern für Identitätsfragen, Körperteile und Sexpraktiken, können aber auch als ganz unschuldige Erfrischungen verstanden werden. Wer würde da in einer Zeit, in der wir es mit immer schlimmeren Hitzesommern zu tun bekommen, nicht gern die Lautstärke hochdrehen?
WeiterlesenSchlagwort: Musik
Distinktion zum Frühstück – Über »Klassik–Pop–et cetera« als kulturellen Offenbarungsort
von Matthias Warkus
Eine der großen Radiotraditionen, vielleicht sogar die größte überhaupt, sind Sendungen, in denen Gäste eigene Musik mitbringen. Die älteste unter ihnen, »Desert Island Discs«, läuft im BBC-Radio seit über 80 Jahren und ist damit unter den ältesten Radiosendungen überhaupt, die noch regelmäßig ausgestrahlt werden. Im Deutschlandfunk gibt es mindestens zwei solcher Sendungen, und eine davon, »Klassik – Pop – et cetera« (im Folgenden »KP&c.«), ist ebenfalls ein Methusalem, mehr oder minder die älteste Sendung im deutschen Radio überhaupt, ausgestrahlt seit dem 7. Oktober 1974. Bis auf eine An- und Abmoderation wird die gesamte wöchentliche Sendung von dem Gast (manchmal auch: den Gästen) bestritten.
KP&c. hat sich in diesen fast 50 Jahren durchaus verändert, vor allem, was die Auswahl der Gäste angeht; darauf möchte ich nicht detailliert eingehen. Auf dem heutigen Stand ist die Zusammensetzung jedenfalls so, dass 43 % der Sendungen von Musiker*innen aus dem Bereich E-Musik (inklusive Jazz) moderiert werden, 25 % von Schriftsteller*innen, 18 % von Künstler*innen, Schauspieler*innen, Regisseur*innen usw., gut 8 % von Musiker*innen aus dem U-Bereich und der Rest von Wissenschaftler*innen bzw. sonstigen Intellektuellen. (Diese Verteilung wird möglicherweise später noch wichtig.)
WeiterlesenPopmusik für die Gegenwart – Meine Welt des K-Pop
von Alex Bachler
Seit Beginn der Corona-Pandemie haben manche begonnen, Ukulele zu spielen, das Stricken für sich entdeckt oder haben angefangen, eine neue Sprache zu lernen. Ich habe eine große Liebe zu koreanischer Popmusik, kurz K-Pop, entwickelt. Im Sommer 2020 zog der junge Erwachsene J. bei mir ein und mit dieser Wahlfamilie, auch eine eigene Popkultur.
WeiterlesenGrowling – Über einen Visionär des Death Metal
“Death metal has now become exclusively about being evil, Satanic and playing full speed ahead. It’s not what I’m into at all.”
Chuck Schuldiner
Meinen ersten Kontakt mit der Musik von Death hatte ich während meines ersten Besuchs des Wacken Open Airs 2007. Ich war 16 Jahre alt und fuhr relativ naiv auf das größte deutsche Metalfestival. An einem Abend, während ich mit Besucher*innen, die neben mir campten, Bier trank, fragte ich einen Typen, was das für eine Band auf seinem Shirt sei. Ich hatte dieses markante Logo, mit der Sense mitten im Bandnamen, schon oft auf dem Festivalgelände gesehen. Häufig getragen von Menschen, die, wie ich später lernte, noch Kinder waren, als Death 1998 ihr letztes Album The Sound of Perseverance veröffentlicht hatten.
Von diesem Fremden habe ich eine erste Version der Geschichte der Band gehört, die den modernen Metal revolutionierte. In den folgenden Jahren habe ich immer wieder sporadisch in einzelne Songs Deaths reingehört. Ironischerweise war es lange die toxische Fankultur in Online-Foren, die mich abschreckte. Ein Umfeld, in dem jede Unwissenheit und Abweichung von der Gruppenmeinung mit Häme und Beleidigungen bestraft wird. Erst als Mitzwanziger, als ich mich verstärkt mit Musik auseinandergesetzt und mich ein Stück weit von dem toxischen Teil der Metalszene emanzipiert hatte, begann ich, auch Death intensiver zu hören. Nach und nach habe ich mir die Diskografie erschlossen.
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