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Die Unfähigkeit zu bremsen – Über eine deutsche Obsession

von Mia Raben

Wir müssten längst ein Tempolimit auf allen Autobahnen haben, so wie der Rest der Welt. Nicht nur wegen der tausenden mehrfach traumatisierten Schwerstverletzten, nicht nur wegen des Klimas und der zusätzlichen Umwelt- und Lärmbelastung, sondern auch aus Gründen der Psychohygiene. In Deutschland regiert auf barbarisch maßlose Weise der Raser, der triebgesteuerte Autofetischist, der Anti-Rationalist – und das schon seit dem Dritten Reich. Unser Land rast auf dem Sonderweg durchs Universum.  Es gehört dringend auf die Couch.

Mein Großvater war Mineralölhändler und solang ich ihn kannte, liebte er schnelle, schicke Autos. Er rauchte Kette, seitdem er als Wehrmachtssoldat mit Anfang Zwanzig in der Nähe der ukrainischen Stadt Charkiw auf eine Miene gefahren war, wobei all seine Kameraden starben. Ich hatte schon früh ein unterbewusstes Gefühl dafür, dass diese drei Dinge – Krieg, Zigaretten, Autos – für ihn irgendwie miteinander zusammenhingen. Aber wie?

In den achtziger Jahren raste er mit 200 Sachen über die Autobahn, während seine zwei Enkelkinder, mein Bruder und ich, auf dem ledernen Rücksitz seines Jaguars saßen. Er „drückte auf die Tube“, und zog dabei genüsslich ein paar Ernte 23 durch. Ich erinnere mich noch an den Moment, bevor wir losfuhren. Der Zwölf-Zylinder-Motor lief schon, mein Vater beugte sich noch einmal durch das Fenster zu meinem Großvater. Er musste laut sprechen, damit man seine Stimme über das mächtige Motorengeräusch hinweg überhaupt hören konnte:

„Bitte, Papa“, flehte er, „ras nicht wieder so.“

Ras nicht so. Genau, mein Großvater war ein Raser.

Der Raser. Der Raser ist heute praktisch vollständig aus dem öffentlichen Straßenverkehr verbannt worden. Weltweit. Die große Mehrheit der Länder dieser Erde hat sich von den zahllosen Argumenten gegen das Rasen überzeugen lassen und ein Tempolimit auf ihren Autobahnen eingeführt. Was für eine vernünftige Welt, denkt man da, denn die Argumente für die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen sind tatsächlich klar und überzeugend. Im Grunde kann niemand, der bei gesundem Verstand ist, in Zweifel ziehen, dass ein Tempolimit auf allen Autobahnen eine sinnvolle Maßnahme für Verkehrssicherheit und gegen Klima-, Umwelt- und Lärmbelastung ist. Hier, der Vollständigkeit halber, noch einmal ein paar wichtige Argumente. Wer, wie die Mehrheit der Deutschen, längst überzeugt ist, kann die nun folgende Liste von Argumenten gern überspringen:

  • Gut dreiviertel der deutschen autobahnfahrenden Menschen fahren durchgehend langsamer als 130 Kilometer pro Stunde, auch auf den 70 Prozent der Autobahnstrecken, auf denen kein Tempolimit gilt. Nur ein bis vier Prozent der Autofahrer*innen fahren überhaupt jemals schneller als 160. Diese sehr kleine Gruppe von Rasern gefährdet also mit ihrem Verhalten die anderen 96-99 Prozent der autobahnfahrenden Bevölkerung.
  • Wer langsamer fährt, verbraucht weniger Brennstoff und die CO2 Emissionen sinken. Die Mobilitätswende ist beschlossene (!) Politik und verlangt, dass verkehrsbedingte Emissionen um 50 Prozent sinken. Bei Tempo 130 würde man zwei Millionen Tonnen CO2 einsparen, ungefähr so viel wie der gesamte innerdeutsche Flugverkehr.
  • Das Tempolimit ist eine Maßnahme, die praktisch nichts kostet, sie betrifft alle gleich und ist schnell umsetzbar. Gurtpflicht und Alkoholverbot galten anfangs auch als „Eingriff in die Freiheit“, und sind heute unumstritten.
  • 64 Prozent der Deutschen haben sich längst FÜR ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen von 130 Kilometern pro Stunde ausgesprochen.
  • Das Tempolimit bedeutet deutlich weniger Lärmbelastung für jene Hälfte der Deutschen, die innerhalb von fünf Kilometer Entfernung von einer Autobahn ohne Tempolimit leben. Bei Reduktion der Geschwindigkeit von nur 20 km/h hört es sich so an, als würde ein Drittel weniger Autos auf der Autobahn fahren, laut einer Studie des österreichischen Umweltbundesamt „Langsamer ist leiser.“
  • Es gäbe weniger Schwerverletzte, also auch weniger schwerverletzte Kinder mit Polytraumata, weniger Tote, und somit weniger tote Kinder durch schwere Verkehrsunfälle. In Deutschland „gönnen“ wir uns ein flächendeckendes 24/7-Versorgungssystem von über 600 Traumazentren mit Hubschraubern und Notfalleinsätzen für polytraumatische Schwerverletzte.
  • Der Stresspegel für Autobahnfahrer*innen, die häufig mit nörgelnden, weinenden oder gar schreienden Kleinkindern im Auto fahren, wäre ohne Raser auf der Autobahn deutlich geringer. Die Unfallgefahr würde weiter sinken.

Man könnte noch viel mehr Argumente anführen. Doch ein verstörend großer Teil der deutschen Bevölkerung wehrt sie voller Inbrunst ab. Unser Land führt kein flächendeckendes Tempolimit auf den Autobahnen ein. Stellt sich die Frage: Warum? Wie kommt es, dass ein angeblich aufgeklärtes Land wie Deutschland sich eine so krasse Irrationalität leistet? Das passt nicht zusammen, oder?

Erklärungen für irrationales Verhalten führen in Deutschland leider schnell zu Hitler. In seinem Buch „Deutschland als Autobahn“ stellt der Autor Conrad Kunze das gleiche fest: „Der Weg zur Frage, wo all die Begeisterung für das Auto herkommt, und warum es so stark in Staat, Nation und Alltag eingebunden ist, führt unweigerlich zu Hitler.“ Dort heißt es weiter: „Ein Grund für das Zurückbleiben Deutschlands hinter der Mobilitätswende in den Städten und Nationen ist der Fetisch um Auto und Autobahn.“

Meine Hoffnung ist nun: Wenn ich diesen „Fetisch um Auto und Autobahn“ etwas genauer unter die Lupe nehme, werde ich zwei Fragen besser verstehen: Warum verhält sich Deutschland so irrational? Warum raste mein Großvater, der uns lieb hatte, mit seinen Enkelkindern im halsbrecherischen Tempo über die Autobahn?

Hierzulande genießt der Raser den Schutz einer mächtigen Elite, die darin kein Problem sieht. Interessant sind auch dazu die Ausführungen von Kunze: 

„Und was sich in historischer Rückschau auch sehr deutlich zeigt, ist der temporär elitäre Charakter der Geschwindigkeit. Es war immer eine kleine Gruppe der Reichen und materiell Sorglosen, die Zugang zum jeweils nächstmöglichen Geschwindigkeitssprung hatten. Von den Superreichen öffnete sich der Kreis für die Reichen, die gehobene Mittelschicht und schließlich für die Masse der Arbeiter*innen. Der Vorsprung musste stets erneuert und überboten werden. (Die E-Autos von Tesla beschleunigen schneller als der stärkste Porsche und die Topmodelle fahren 400 km/h.)“

Von uns hoch geschätzte europäische Nachbarn fragen sich stirnrunzelnd, was da in Deutschland schon wieder los ist. Dieses fleißige, vernünftige Volk führt kein Tempolimit ein? Merkwürdig. Der Guardian schreibt, der Widerstand gegen das Tempolimit in Deutschland sei vergleichbar mit der Frage des Waffengesetzes in den USA. Auch hierzulande erscheint man ratlos. In einer Ausgabe des SPIEGEL vom August dieses Jahres, dessen Titel ein Grabgesteck mit dem Trauerspruch „Hier ruhen unsere Klimaziele“ zeigt, lese ich, das Auto werde „immer noch als heilige Kuh der Deutschen behandelt: kein Tempolimit, bloß nicht.“

Könnte es sein, dass die deutsche Weigerung, ein flächendeckendes Tempolimit auf Autobahnen einzuführen, ein Auswuchs des deutschen Sonderwegs ist? Der deutsche Sonderweg? Was war das nochmal? Ach ja, das ist die „problematische Tendenz in der deutschen Geschichte, die Macht über das Recht, das Militärische über das Zivile und die staatliche Exekutive über die parlamentarisch-demokratische Willensbildung des deutschen Volkes zu stellen“. Ich denke an die Macht der elitären Lobbymonster, an die Autoindustrie, an die Ignoranz der Regierenden gegenüber den Umfragen zur Einführung des Tempolimits, an die Vermutung, die auch Kunze in seinem Buch äußert, dass in der Figur des Rasers „Frauenfeindschaft und Maschinenliebe“ zum Ausdruck kommen. Nun, könnte man denken, die Deutschen und ihr Auto halt. Das war ja schon immer eine etwas seltsame, von besonderer Innigkeit geprägte Beziehung, oder nicht? Aber ist es nicht merkwürdig, wie zärtlich die Deutschen am Sonntag ihr Auto waschen, polieren und mit Wachs massieren? 

Vielleicht lässt sich der titelgebenden Theorie “Die Unfähigkeit zu bremsen” mit dem Standardwerk “Die Unfähigkeit zu trauern” näherkommen, mit dem die renommierten Psychoanalytiker*innen Alexander und Margarete Mitscherlich in den 1960er Jahren international Aufsehen erregten. Auch heute noch ist es für alle, die die deutsche Gegenwart begreifen und einordnen wollen, außerordentlich lohnend, diese historischen „Grundlagen kollektiven Verhaltens“ zu lesen. Sie machen den „in der Bundesrepublik herrschenden politischen und sozialen Immobilismus und Provinzialismus“ verständlich.

Ich würde sagen, die Theorie der Mitscherlichs lässt sich mit einigen meiner Gedanken zum Tempolimit verbinden.  Ich hoffe, dass dadurch verständlich wird, inwiefern die „Unfähigkeit zu trauern“ bis heute erkennbar ist, eben etwa in der „Unfähigkeit zu bremsen“, aber mit Sicherheit auch in weiteren Bereichen, in denen wir Deutschen auf seltsame Weise nicht vorankommen. Man denke an das deutsche Schulsystem und die darin so oft erkennbaren Überbleibsel der gnadenlosen, militaristischen Hierarchien. Oder man denke an die Unfähigkeit, patriarchalische Strukturen, etwa in der Familienpolitik, wirklich aufzubrechen. Je länger man darüber nachdenkt, wo immer noch Spuren aus längst vergangenen Zeiten nicht endlich weggewischt werden, desto mehr fällt einem auf, wie viel wir uns immer noch leisten, was längst geändert oder abgeschafft werden sollte. Nun aber zurück zu den Mitscherlichs, und dem Deutschen und seiner Unfähigkeit zu bremsen und zu trauern. 

Das deutsche Volk war während des Dritten Reichs größtenteils einverstanden mit den Ideen des Rassismus sowie mit der Herrschaftsideologie des Nationalsozialismus. Sie war, ich leihe mir hier einmal Worte von Thomas Mann, Teil einer „deutsche(n) Volksbewegung mit einer ungeheuren seelischen Investierung von Glauben und Begeisterung“. Diese Massenbewegung führte die Deutschen in eine Quasi-Symbiose mit ihrem „Führer“ Adolf Hitler. Als der Krieg 1945 endgültig verloren war und die Gräueltaten der Shoa weltweit bekannt wurden, entstand ein psychologisches Problem für alle, die die Verbrechen Hitlers in irgendeiner Form mitgetragen hatten. Ein Kollektiv, das sich eben noch als „Volk der Auserwählten“ betrachtete und sich als „prädestiniert dafür“ hielt, „über andere zu herrschen“, verlor den Krieg in der „größten materiellen und moralischen Katastrophe unserer Geschichte“. Der Sturz des geliebten Führers, so die Mitscherlichs, „bedeutet darüber hinaus eine traumatische Entwertung des eigenen Ich-Ideals, mit dem man so weitgehend identisch geworden war.“

In “Die Unfähigkeit zu trauern” wird nun die These aufgestellt, dass eine Beschäftigung mit diesem Widerspruch zwischen dem eigenen Gefühl des Auserwähltseins und der schmachvoll empfundenen Niederlage abgewehrt wird, um nicht das Gefühl “völligen Unwertes” aufkommen zu lassen. Damit einher geht auch eine Abwehr jeder Form der Trauer. Die Vergangenheit wird also kollektiv verleugnet. Diese Abwehr der „überwältigenden Schuldlast“ hat drei Formen: 1. Gefühlsstarre beim Anblick der Leichenberge und traumartiges Versinken der kollektiven Vergangenheit, 2. Identifikation mit den Siegermächten, 3. Manisches Ungeschehenmachen durch radikalen Wiederaufbau.

Die akute Verliebtheit in den Führer, die libidinöse Energie, die eben noch dem Führer (und der eigenen Auserwähltheit) gegolten hat, muss sich neu orientieren. Das Scheitern des Führers ist durch die Über-Identifikation ein Scheitern des eigenen Ichs. Die Abwehr der Trauer hat zwar den Ausbruch der Melancholie verhindert, aber nicht die Ich-Verarmung, die uns innerlich orientierungslos macht. Diese innere Orientierungslosigkeit bekämpften wir mit jenem emsigen Fleiß, der das sogenannte „Wirtschaftswunder“ ermöglicht. Das „Wirtschaftswunder“ festigt unsere „auf Selbstwertbestätigung erpichte Art zu lieben“. Wir konzentrieren „all unsere Energie vielmehr mit einem Neid und Bewunderung erweckenden Unternehmungsgeist auf die Wiederherstellung des Zerstörten, auf Ausbau und Modernisierung unseres industriellen Potentials bis zur Kücheneinrichtung“.

Die Liebe des Volkes neu entflammen lässt jetzt –  und das ist jetzt meine These – das Symbol des Wirtschaftswunders schlechthin: das Auto. Die Objektlibido ist vom Führer zum Auto gewandert. Die Befriedigung unserer narzisstischen Libido erlaubt es uns, weiter „zu funktionieren“ und nicht in einer den Selbstwert zerstörenden Melancholie zu versinken. Man hat es „satt“ sich an die Vergangenheit erinnern zu lassen. Das Gedenken an die Shoah gleicht, nicht an allen, aber doch an auffällig vielen Stellen einer Inszenierung, die der Soziologe Michal Bodemann als „deutsches Gedächtnistheater“ bezeichnet hat.

Aber wenn wir nun an der „heiligen Kuh“ (Der Spiegel) Auto rütteln, woran rütteln wir dann in Wirklichkeit? Vielleicht an der Frage, warum das Auto wichtiger für uns ist, als die Tausenden unnötig schwerstverletzten jungen Menschen auf deutschen Autobahnen? Unser gesellschaftliches ICH scheint nicht in der Lage zu sein, sich in dieser Frage angemessen zu verhalten. Das ES (Raser-Trieb) gewinnt gegen das Über-ICH (es ist gesellschaftlich rücksichtslos zu rasen, also moralisch verwerflich), weil das ICH durch die Anstrengung der Verdrängung so geschwächt ist, geradezu leer. 

Die „Wiedergutwerdung“ der deutschen Gesellschaft kann nur über ein „fortgesetztes Nachdenken“ (Mitscherlichs) stattfinden, und über die Erweiterung der „Einfühlung in uns selbst“ und in die Opfer der eigenen aggressiven Triebdurchbrüche. Nur ein solches Nachdenken und Einfühlen könnte die „Fähigkeit zu trauern“ zurückgeben. Und damit auch die Fähigkeit zu bremsen. „Wenn unter Kultureignung letztlich Triebbeherrschung durch Einsicht verstanden wird, so ist gewiss, dass es sich dabei um eine potentielle Fähigkeit, nicht um eine im Konstitutionsplan des Menschen ungestört ausreifende „Anlage“ handelt.“

Wollen wir, eine sich selbst als kultiviert begreifende Gesellschaft, das vorhandene Potenzial ausnutzen? Sind wir das unserer Gesellschaft nicht schuldig? Warum setzen wir bei der Triebbeherrschung nicht an bei der Beherrschung der deutschen Autobahn?

L., die Tochter meiner Freundin, ist 23 Jahre alt, Studentin, und sagt, sie will keine Kinder. L. ist ein warmherziger, offener Familienmensch, hat einen großen Freundeskreis und liebt Gesellschaft. Zwischen zwei Konzerten auf dem Elbjazz Festival sitzen wir mit einer Weinschorle in der Sonne neben einem stillgelegten Hafenkran, von dem eine Diskokugel baumelt, und ich frage L., warum. Warum sie keine Kinder haben will. Sie sieht mich mit ihren klaren, wachen Augen an und sagt, das sei für sie keine persönliche Frage. Das sei eine gesellschaftliche Entscheidung. Sie wolle kein Kind in ein Land setzen, das sich den aktuellen Handlungsnotwendigkeiten komplett verweigert. Was sie denn als solche bezeichnen würde, frage ich sie. Es gibt tausende Beispiele, sagt sie, zum Beispiel das Tempolimit. „I mean, zu wenig Schilder?!“ Sie schlägt sich an die Stirn. „Die Welt geht fucking unter und wir haben keine fucking Schilder, um ein Tempolimit durchzusetzen?“ 

Es ist eine Tatsache, dass in Deutschland jährlich tausende, meist jüngere Menschen durch das Rasen schwerstverletzt werden, eine Anzahl, die durch eine leicht umsetzbare politische Maßnahme deutlich reduziert werden könnte. „Es gibt keinen rationalen Grund dafür, diesen verkehrspolitischen Weg weiter fortzusetzen.“ So lautet der letzte Satz aus dem Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Verkehrsausschuss, der wegen der Stimmen von Union, FDP, AFD und SPD scheiterte.

Für mich ist der Raser, auch wenn er ein guter Freund oder ein netter Familienvater sein mag, der Inbegriff der Rücksichtslosigkeit. Und so, wie die Nazis es geschafft haben, das „absolut Böse ästhetisch gut zu inszenieren“ (Conrad Kunze), schafft es auch die Raser-Lobby, sich als gut und wertvoll zu inszenieren. “Es wird immer Menschen geben, die ihr eigenes Auto besitzen wollen, denn ein Automobil ist ein sehr emotionales Gut”, sagt zum Beispiel Audi-Chef Rupert Stadler. Und der Verband der Automobilindustrie (VDA), zu deren Mitgliedern Shell und Esso zählen, verkündet in seiner Publikation “Fakten gegen ein generelles Tempolimit” im Brustton der Überzeugung, dass man auf Autobahnen “auch ohne Sicherheitsrisiko höhere Geschwindigkeiten fahren” könne. Ohne Sicherheitsrisiko?!

Unfallchirurg Dr. Christopher Spering (Universitätskrankenhaus Göttingen) ist Mitglied im Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) sowie im Vorstand des Ausschusses für Verkehrsmedizin. Er sagt: „Es geht nicht nur um die Verkehrsunfalltoten auf der Autobahn. Unser Fokus muss sich auf die Schwerverletzten verschieben. Mittlerweile weiß man sehr genau, wie langfristig die Lebensqualität der meistens recht jungen Menschen, die solche Schwerstunfälle erleben, eingeschränkt sein wird: für den Rest ihres Lebens. Im Jahr 2018 waren das auf deutschen Autobahnen 5.900 Schwerstverletzte. Menschen werden in Spezialkliniken geflogen, dort notoperiert und danach sehr lange Zeit behandelt. Danach kommen sie in eine nochmal sehr lange Rehabilitationsphase. Studien zeigen, dass gerade einmal 50 Prozent dieser Schwerstverletzten wieder arbeiten können.“ Spering betont, dass es tatsächlich einen riesigen Unterschied macht, ob man mit Tempo 130 einen Unfall baue oder mit Tempo 170. Das liege an der Physik:  Je schneller die Masse (das Auto) sich fortbewegt, desto verheerender sind die Folgen eines Zusammenpralls. Es ist weniger wichtig, ob ein LKW oder Auto dich trifft, wichtiger ist, mit welcher Geschwindigkeit der Aufprall geschieht. Die Folgen kann man in der Göttinger Klinik sehen.

Spering lädt jeden oder jede, der/die gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen ist, ein, mal bei ihm auf der Arbeit vorbeizuschauen: „Laufen Sie einfach mal einen Dienst lang mit mir mit. Wenn Sie dann noch gegen ein Tempolimit sind, zweifle ich an Ihrem Verstand.“

Und dann gibt es auch noch das weiche Argument, das für das Tempolimit spricht, das mir persönlich besonders wichtig ist: Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der rückständige und ewig gestrige Machos die Verkehrspolitik dominieren. Man schämt sich einfach im Vergleich zu anderen Ländern. Ich möchte auch nicht das Gefühl haben, in einem Anachronismus zu leben. Da wir uns ja angeblich mitten in der Verkehrswende befinden, ist der Raser an sich zu einem Verstoß gegen die Zeitrechnung geworden. Wann wird die Verkehrspolitik sich endlich in den Strom der Zeit einfädeln? Wenigstens passt es da gut, wenn Christian Linder auf einem Fake-FDP-Plakat zum Thema 9-Euro-Ticket mit Marie Antoinette verglichen wird: „Kein Geld für ÖPNV? Sollen sie doch Porsche fahren.“ Ich hoffe auf baldige Revolution.

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Alchemie der Authenzität. Gebrauchsanweisung für ein barrierefreies kulturelles Gedächtnis

von Barbara Peveling

Der vergangene Sommer war sicherlich das internationale Reise-Comeback nach Corona. Die europäischen Länder erlebten eine rekordverdächtige Saison, während Flüsse und Seen durch den Klimawandel austrockneten, überschwemmten Touristen die südlichen Gegenden. In Griechenland ging der Massentourismus mit 16.000 Besucher*innen an der Akropolis pro Tag sogar als Rekord in die Geschichte ein. Die Schließungen während der Pandemie waren hier genutzt worden, um das Kulturerbe barrierefrei zu machen, außer einem Aufzug wurde auch der Zugang zu den Gebäuden des Denkmals betoniert. Viele Intellektuelle sahen in diesen Umbauten und Veränderungen einen Skandal. Müssen Denkmäler, Ensembles und Stätten des kulturellen Gedächtnisses wirklich allen Menschen barrierefrei zugänglich sein und werden diese damit automatisch Opfer der Demokratisierung von Wissen?

Die Weltbevölkerung wächst stetig und parallel dazu wachsen auch die Umweltprobleme. Eine Alternative, um Kulturstätten vor der Bedrohung von Massenbesuchen und Klimawandel dauerhaft zu schützen, sind diese nachzubauen, um die Originale zu erhalten oder, wenn diese aufgrund von Klimabedingungen nicht zugänglich sind, diese überhaupt sichtbar zu machen. In Frankreich wurde 2015 mit der Grotte Chauvet zum ersten Mal der Nachbau eines Kulturerbes eröffnet. Sieben Jahre später eröffnete in diesem Sommer mit dem Museum Cosquer in Marseille eine weitere und die mittlerweile dritte Replik einer prähistorischen Grotte. Diese Unterwassergrotte liegt eigentlich weit außen am Stadtrand von Marseille und am Anfang des Naturparks der Calanques.

Eine der Besonderheiten der Grotte Cosquer ist nicht nur, dass sie sich unterhalb des Meeresspiegels befindet, sondern auch, dass viele der Malereien, die ihre Wände zieren, Tiere zeigen, die heute in ganz anderen, kälteren Regionen leben, wie Bisons, Saigaantilopen, Seehunde und Pinguine. Die prähistorischen Darstellungen von Tieren wie Pinguinen sind der kunsthistorische Beweis, dass die Strände der Grotte in der Vergangenheit mit Eis bedeckt waren. Den in der Grotte vor 33 000 bis 20 000 Jahren wirkenden Künstler*innen ist es gelungen, eine der existentiellen Tragödien irdischen Lebens festzuhalten, und zwar die Auslöschung einer existierenden Biodiversität auf lange Dauer. Der große Pinguin, wie er auf den Kunstwerken der Grotte Cosquer zu sehen ist, existiert heute nicht mehr. Damals, vor 19.000 Jahren, als die Grotte von den Jäger*innen des Jungpaläolithikums benutzt wurde, war das Klima in Südeuropa deutlich kälter als heute. Die skandinavischen Länder und Kanada waren mit einer 3000 Meter hohen Eisschicht bedeckt und unbewohnbar. In Frankreich reichten die Gletscher von den Alpen bis zu den Pyrenäen. Die sogenannte Eiszeit kippte vor gut 10.000 Jahren in ein wechselndes und schließlich immer wärmeres Klima, dieser Klimawandel hält bis heute an und wurde durch den Einfluss der Menschen in den letzten zweihundert Jahren auf eine Weise potenziert, dass bald noch viel mehr Lebewesen von unserer Erde verschwinden werden.

Der Begriff Museum kommt aus dem Altgriechischen und bezeichnet ursprünglich ein Heiligtum, heute beschreibt er die Darstellung und Sichtbarmachung von Kulturgütern, moderne Tempel des kulturellen Gedächtnisses. In seinen Überlegungen zu einem Paradigmenwechsel im Museum postulierte der Kulturwissenschaftler Gottfried Korff die Beunruhigung, die durch einen Wahrnehmungsschock ausgelöst wird. Der Besucher soll in eine Wahrnehmungssituation gebracht werden, die seine vorherrschenden Betrachtungsmaßstäbe und Wertvorstellungen ins Schwanken bringt und somit Zugang zu neuen, unbekannten Horizonten des Wissens und der kulturellen Wahrnehmung bedeutet.

In Bezug auf die Nachbauten von historischen Kunstwerken stellt sich vor allem die Frage nach der Authentizität. Statt zwischen jahrtausendalten Steinwänden zu wandeln, stehen die Besucher*innen vor bemalten Styroporwänden. Und die Zeichnungen an den Wänden, sind nicht mit Kohle oder Steinen gemalt, sondern wurden durch 3-D Projektionen von modernen Künstler*innen reproduziert. Das Gefühl der Authentizität,  so Soziolog*innen, setzt vor allem durch die Bewegung des Besuchers im Raum ein, durch die aktive Aneignung des Ortes und weniger durch den Originalzustand der Objekte. Bei dem Besuch der Repliken stehen Besucher und Besucherinnen zwar nicht vor dem originalen Kunstwerk, aber haben doch die Möglichkeit, eine authentische Erfahrung, im Sinne von einer virtuellen Reise in das kulturelle Gedächtnis der Menschheitsgeschichte, zu unternehmen.

Im Gegensatz zu den beiden Originalen der anderen nachgebildeten Kunstwerke der Felsmalerei in Frankreich, der Chauvet– und der Lascaux-Grotte, ist die Grotte Cosquer aus Sicherheitsgründen kaum noch zugänglich. Die Künstler*innen, Architekt*innen, Wissenschaftler*innen und Handwerker*innen, die am Nachbau beteiligt waren, konnten also nicht auf die eigene Erfahrung der Betrachtung des Originals zurückgreifen. Die Replik der Höhle wurde von dem Unternehmen Déco Diffusion in Toulouse realisiert, das Team war auch bereits am Nachbau der Grotte Chauvet beteiligt. Die Künstler und Künstlerinnen mussten dabei immer wieder improvisieren. Es ist also auch Kunst in der Kunst, die Reproduktion schreibt sich in die Geschichte menschlicher Kreativität ein, die zwischen den beiden Darstellungen vergangene Zeit dehnt sich aus und die Frage nach Original und Fälschung wird in den Hintergrund gedrängt. „Plötzlich tauchte in der Nacht vor meinen Augen im Styropor die Mähne eines Löwen auf“, erzählt ein Mitarbeiter im Interview. Diesen Moment der künstlerischen Verbindung zwischen dem Original aus der Prähistorie und seiner Nachbildung in der Gegenwart beschreibt er als atemberaubend, damit wird auch deutlich, dass das, was unsere menschliche Existenz ausmacht nicht nur ein individuelles Genie ist, mit dem wir einzelne Künstler (hier bewusst männlich gesetzt) feiern, sondern ein kollektives Gedächtnis, das die gesamte Menschheit ohne Ausnahme von Geschlecht und Herkunft im Bewusstsein trägt und über Generationen weitergibt.

Die Malereien an den Felswänden wurden lange als bloße Darstellungen von schamanischen oder totemistischen Kulthandlungen und weniger als künstlerischer Ausdruck gewertet. Die Wissenschaft hat längst eingesehen, dass die frühe Kunst wichtiger Bestandteil der menschlichen Geschichte ist und damit als weitaus komplexer zu werten als es in früheren Denkansätzen der Fall war. Die Sicht auf das Fremde und Unbekannte unserer Kultur wird nicht mehr als barbarisch bezeichnet, so auch die Kunst aus der jüngeren Altsteinzeit. Dieses Wissen ist überdeckt von herkömmlichen kulturellen Stereotypen über „Höhlenmenschen“, die von ihren Instinkten geleitet, als wilde Horden, durch die damals noch teilweise vereiste Landschaft zogen. Das, was Gottfried Korff als Wahrnehmungsschock bezeichnet, gehört zur Demokratisierung von Wissen, indem genau solche Stereotypen und Vorurteile bei dem Museumsbesuch gebrochen werden. Die Alchimie der Authentizität ist nicht abhängig von dem Original, sondern von der Qualität des Erlebnisses des Ausstellungsortes.

Wer den Nachbau der Grotte Cosquer besuchen will, der muss zum alten Hafen von Marseille reisen. Hier steht die Villa de la Méditerranée, die 2013 eröffnet wurde, um Ausstellungen zu beherbergen, als Marseille europäische Kulturhauptstadt war. Dass sich der Nachbau der Höhle also einer vorgegebenen architektonischen Struktur anpassen musste, unterscheidet ihn von den anderen beiden Nachbauten von Höhlenkunst in Frankreich, genauso wie die Tatsache, dass diese Höhle eigentlich unter Wasser liegt. Und so begibt sich der Besucher auf die Reise unter Wasser. Tatsächlich ist das Gebäude der Villa ins Meer gebaut worden. Der Besucher betritt es über eine Brücke, neben dieser liegt auch das kleine Fischerboot vor Anker, mit dem Henri Cosquer und das von ihm zusammengestellte Team aus Hobbytauchern seines eigenen Verein 1991 hinaus zu den Felsen der Calanques fuhren, um die Höhle zu erforschen.

An dieser Stelle der Entdeckungsgeschichte der Grotte beginnt auch die Reise der Besucher*innen, denn diese befinden sich auf schwankendem Grund, ganz wie es Gottfried Korff in seinem Paradigmenwechsel formulierte. Mit einem Aufzug geht es hinunter in die Tiefe, denn die Grotte liegt etwa 37 Meter unter dem Meeresspiegel. Selbstverständlich reisen die Besucher*innen nicht tatsächlich in diese Meerestiefe, denn dann müssten noch aufwendigere Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, aber der Nachbau vermittelt die Vorstellung des Eintauchens in die Tiefe, der Besuch wurde so authentisch wie möglich konzipiert. Unten angekommen, dürfen die Besucher*innen in kleinen Wägelchen Platz nehmen.

Der Zugang ist barrierefrei, Menschen jeglichen Alters, unabhängig jeglicher körperlicher Einschränkungen ist der Besuch zugänglich. Mit einem Audioführer ausgestattet folgen die Besucher*innen den Parcours der Entdeckung von Henri Cosquer und seinem Team. Ein Höhepunkt des Besuches ist der Moment, als Henri seine Taschenlampe auf einen Stein ablegt und auf der Höhlenwand gegenüber wie durch Zufall, eine menschliche Hand auf der Steinwand entdeckt. Dieser Augenblick wird durch technische Affekte an den Wänden und auditive Untermalung im Audio-Guide beim Besuch der Höhle rekonstruiert, genauso wie die Entdeckung der drei Pinguine oder die auf alle Ewigkeit im Kalk gefangene Krabbe. Alle Darstellungen und Besonderheiten in der Originalgrotte haben nicht nur einen Platz in dem Nachbau, sondern werden hier auch in Szene gesetzt.

Bei dem Besuch werden also zwei Narrative parallel erzählt, zum einen die Entdeckung der Grotte selbst, zum anderen die Geschichte der menschlichen Existenz in der Region und Nutzung der Grotte über die Zeiten hinweg. Hinzu kommt noch der lange Weg von der Erforschung der Grotte bis zu ihrer Nachbildung. Die Historie wird zu einer unendlichen Geschichte, die sich selbst erzählt, die Kunst der Steinzeit erweitert die Kunst der Gegenwart, sie zieht sich wie der Faden der Ariadne selbst durch die Menschheitsgeschichte. Und mittendrin, in diesem kleinen Wägelchen, das jeweils sechs Menschen pro Besuch durch die Replik der Höhle kutschiert, sitzt schließlich der Besucher oder die Besucherin ganz allein für sich und hört und sieht und staunt. Der Zugang zu dem, was Gottfried Korff Wahrnehmungssituation nennt, ist nahezu vollständig barrierefrei. Weder Mobilität noch Sprache oder Schrift bilden eine Barriere beim Besuch, der Nachbau der Cosquer Grotte ist ein Beispiel für inklusiven Zugang zu kulturellem Wissen und stellt gleichzeitig seine Demokratisierung dar.

Der Zugang zu der Replik ist auch unabhängig von inkorporiertem kulturellen Kapital. Nach Pierre Bourdieu bedeutet verinnerlichtes kulturelles Kapital beispielsweise Lesekompetenz oder die Fähigkeit, sich komplexe Inhalte aufgrund von erlerntem Wissen zu erschließen. Mit Bildungsgebäuden wie die Grotte Cosquer und anderen Nachbauten, wird also kein etabliertes Bildungsbürgertum reproduziert. Es findet keine horizontale Wissensvermittlung statt, sondern eine vertikale, die, da barrierefrei, für breite Bevölkerungsmassen konstruiert ist. Große Massen an Besucher*innen stellen kein Problem dar, sondern, im Gegenteil, das Gebäude wurde für sie konstruiert. Vielleicht wäre  es für manche Menschen schöner, wenn ein Besuch mit dem Gefühl stattfindet, ein absolutes Privileg nur für sich allein zu erleben. Der Besuch wird spektakulärer, wenn sich mit der Betrachtung das Gefühl verbindet, zu dem Vertreter einer außerwählten Schicht zu gehören, Teil derer zu sein, die Zugang haben, zu diesem einen, so besonderen Erlebnis. Diesen Anspruch auf Exklusivität erfüllen Repliken bewusst nicht. Es ist stattdessen ihre Aufgabe die Demokratisierung von Wissen zu unterstützen und nicht die Reproduktion von Eliten. Denn auch das Gefühl, an einem sozial zugänglichen Ort zu sein, der niemanden ausschließt, kann als ein Privileg verstanden werden.

Auch dieses Versprechen hält die Replik der Grotte Cosquer. Das exklusive Erlebnis findet weniger in der körperlichen Anstrengung und Exklusivität der Beobachtung als in der geistigen und visuellen Wahrnehmung und damit im Kopf des Betrachters statt. Denn wenn man sich in der Dunkelheit der Ausstellungshalle, ausgestattet mit Kopfhörer, umgeben von der Stimme des Audioführer und des Lichts der Installationen befindet, ist man plötzlich allein mit der kreativen Darstellung aus Jahrtausenden und jenen Menschen aus der Vergangenheit, die für ihre Existenz nicht nur einen kreativen Ausdruck finden wollten, sondern diesen auch auf Dauer festzuhalten suchten. Und dass ihnen dies gelungen ist, davon zeugt der Besuch in der Replik. Es ist diese einmalige Verbindung zu dem kulturellen Gedächtnis menschlichen Daseins, die diesen Besuch zu einem einmaligen Erlebnis macht, selbst wenn wir uns als Menschen in einer Masse bewegen, so ist jeder Einzelne für sich doch einmalig, und um dieses Bewusstsein zu stärken, brauchen wir mehr barrierefreie Denkmäler. Im kulturellen Gedächtnis verankert bleibt die Geschichte der Menschheit in ihrer Einmaligkeit authentisch. Die Alchemie der Authentizität wird durch die Wahrnehmung, durch das Eintauchen in den Gegenstand der Betrachtung ausgelöst und dies einer möglichst breiten Bevölkerung barrierefrei zugänglich zu machen, ist auch Teil einer Demokratisierung von Wissen.

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Politisierte Fakten – Ein philosophischer Blick auf die ‘Culture Wars’

von Philip Schwarz

Die USA sind nach wie vor das Land, in dem kulturelle und gesellschaftliche Phänomene ihren Ausgang nehmen, um von dort aus ihre Reise um den Globus anzutreten. Zwar dauert es für gewöhnlich eine Weile bis ein Trend in Europa ankommt, aber letztlich wird es dann doch schwierig das neue Thema zu ignorieren.

Ein Thema, welches das intellektuelle Klima seit einigen Jahren aufheizt, sind die sogenannten culture wars. Kriege also, in denen angeblich Aufklärung, Vernunft und Wahrheit auf der einen, Postmoderne, Macht und Sozialkonstruktivismus auf der anderen Seite stehen. Es geht um die Darstellungen eines scheinbaren Kampfes zwischen der Seite der liberalen Demokratie, wo der  freie Wettstreit der Ideen und die Durchsetzung einer objektiven Wahrheit herrschen, und denen, die all das als Produkt eines von weißen westlichen Männern geprägten Diskurses und somit als Produkt tendenziell unterdrückerischer Machtstrukturen über Bord werfen wollten. Die begrifflichen Zuschreibungen sind dabei eher Verweise auf Konzepte als dass sie wirklich für das stehen, was sie beschreiben wollen. Soweit das Konstrukt eines Kulturkrieges.

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Der König ist tot, es lebe der König? – Toxische Maskulinität in der Kultur Frankreichs

von Barbara Peveling und Cécile Calla

 

Toxische Männlichkeit ist ein globales Phänomen. Doch die Zeiten ändern sich glücklicherweise. In Frankreich aber – so scheint es – hat dieses gesellschaftliche Konzept bisher noch viele Anhänger. Die Abwehr gegen die sich ändernden Zeiten wird im Augenblick mit einem gewaltigen sozialen Feuerwerk abgefackelt. Weiterlesen